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Kampf auf Nebenkriegsschauplatz

■ betr.: "Töpfer bediet die Atomlobby", taz vom 22.4.93

betr.: „Töpfer bedient die Atomlobby“, taz vom 22.4.93

Es ist sehr zu begrüßen, daß Gerd Rosenkranz das Vorhaben der Bundesregierung, durch Novellierung des Atomgesetzes einen Rechtsanspruch auf Genehmigungen von Atomkraftwerken zu schaffen, thematisiert und kritisiert hat. Er bezieht sich dabei auf den jüngsten Entwurf der Atomgesetznovelle. Danach soll in Paragraph 7 AtG (Genehmigung von Anlagen) im Absatz 2 die Formulierung „Eine Genehmigung darf erteilt werden, wenn...“ ersetzt werden durch „Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn...“.

Das Wörtchen „darf“ im jetzigen Atomgesetz bedeutet nämlich, daß den Genehmigungsbehörden ein gewisser Spielraum eingeräumt wurde, trotz Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen eine beantragte Genehmigung zu verweigern. Diesen Spielraum sollen sie nun in Zukunft nicht mehr haben. Nach Meinung von Gerd Rosenkranz wird er den Behörden durch die Einfügung des Wörtchens „ist“ genommen.

Dem möchte ich widersprechen. Die gesetzliche Verankerung des Rechtsanspruchs auf Genehmigung von Atomkraftwerken erfolgt durch die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in den Paragraphen 7 AtG. Durch diese Einfügung werden die Genehmigungsvoraussetzungen für Atomkraftwerke (übrigens auch andere atomtechnische Anlagen) auf dem niedrigstmöglichen Niveau festgelegt.

Als Voraussetzungen für Genehmigungen werden dann nur noch verlangt:

– der Nachweis, daß mit der Atomkatastrophe nicht unabdingbar zu rechnen ist,

– das Treffen von Vorsorge gegen Risiken, doch nur unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit.

Wenn der Bundestag bei der Novellierung des Atomgesetzes diesen Genehmigungsvoraussetzungen so zustimmt, dann wird das Versagensermessen, ausgedrückt durch das Wörtchen „darf“, zum Papiertiger. Der Gesetzgeber würde damit eindeutig seinen Willen, Atomkraftwerke zu bauen, unter Hinnahme jeglicher unvermeidbarer Risiken – unter Hinnahme der Unbeherrschbarkeit des Betriebs – zum Ausdruck bringen. Damit würde der Rechtsanspruch auf Genehmigung klar definiert und die Verpflichtung der Politiker gesetzlich verankert sein. Das Wörtchen „darf“ hätte keine Bedeutung, wäre allerdings von der juristischen Logik her fehl am Platz.

Es besteht die Gefahr, daß mit der Diskussion des Versagensermessens auf einem Nebenkriegsschauplatz gekämpft wird. Bei der Auseinandersetzung um die Novellierung des Atomgesetzes muß es jedoch um die veränderten Genehmigungsvoraussetzungen gehen. Traute Kirsch, Beverungen

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