: Die zwei Welten von Dynamo
Dynamo Dresden – Bayer Leverkusen 2:0 / Die Sachsen kämpfen nicht nur gegen den Abstieg, sondern auch mit internen Unstimmigkeiten ■ Aus Dresden Holger Gertz
Feinsäuberlich zweigeteilt ist die Welt bei Dynamo Dresden. Zum einen das kickende Personal, zum anderen die Boß-Etage: Präsident Rolf-Jürgen Otto und Manager Horst Reber, beide seit wenigen Monaten im Amt, beide aus Frankfurt/Main. Bauunternehmer Otto soll den nach jahrelanger Mißwirtschaft fast bankrotten Club mit seinem Geld vor dem Ruin retten. Reber, früher Journalist (Spitzzüngige sagen: Klatschkolumnist), pflegt das Image.
Die Dinge wären also geregelt, wenn es eine Zusammenarbeit gäbe zwischen den beiden Dresdner Welten. Gibt es aber nicht. Präsident Otto hat sich in seiner kurzen Amtszeit als Despot erwiesen, der aus seiner Funktion als Geldgeber umfassende Kompetenzen ableitet. Das Dresdner Idol Reinhard Häfner, bis dato Manager, degradierte er, das Dresdner Idol Klaus Sammer entband er mit abenteuerlichen Begründungen von seiner Trainertätigkeit, zuletzt beschwerte sich der Ehrenrat: Otto informiere das Gremium von keiner Entscheidung. Und Reber, stets in kostbares Tuch gehüllt und von edlen Düften umweht, habe – so die Junge Welt – mit Fußball „ungefähr soviel am Hut wie Prinz Charles mit Lady Di“.
Daß es bei aller Ungemach im Umfeld seit dem Match gegen Bayer Leverkusen wieder besser bestellt ist um die Dresdner Fußballer, ist einmal der eigenen Kampfkraft geschuldet, wesentlich aber auch der erbärmlichen Leistung des Gegners. Der mußte auf Nationalstürmer Thom von Anfang an und auf Nationalstürmer Kirsten nach wenigen Minuten wegen Verletzung verzichten. Fortan „jeglicher Durchschlagskraft im Angriff“ (Trainer Reinhard Saftig) beraubt, langte es bei Bayer nur zu ein paar Gewaltschüssen, dieweil die Gastgeber hinten alles rauskloppten und vorne ansehnlich kombinierten. Miroslav Stevic und Matthias Mauksch trieben den Ball nach vorn, dort köpfelte in der ersten Halbzeit Abwehrmann Nils Schmäler den Ball in das von Rüdiger Vollborn bewachte Tor. Danach traf der rackernde Nachwuchsmann Zickler. Das 2:0 läßt die Zahl der Dresdner Punkte auf 25 und die Chancen auf den Erhalt der Klasse beträchtlich anwachsen.
Ein Verdienst wohl auch des neuen Trainers Ralf Minge, der vormals im Dynamo-Team und in der DDR-Auswahl spielte, ehe er vor wenigen Wochen von Otto zum Sammer-Ersatz bestimmt wurde. Minge ist ein ruhiger Typ, der seine in feinem Sächsisch vorgetragenen Statements in Platitüden kleidet, die er im alten System gelernt hat. Dirk Zander habe er nicht gebracht, sagt Minge, weil der „den offenen Schlagabtausch nicht gehen könne“, nachdem er wieder leicht verletzt sei. In der nächsten Woche „wird er sich beim Operateur vorstellen“.
Dem Manager ist das zuwenig Werbung für den neuen Kurs des Vereins. Schließlich hat Torwart René Müller gerade seinen Vertrag verlängert, „dazu möchte unser Trainer bestimmt auch etwas sagen“. Der möchte eigentlich nicht, aber er muß und murmelt etwas vom „Leitbild“, vom „Kopf der Mannschaft“, dessen Kontrakterneuerung ein positives Signal sei. Reber ist zufrieden und sagt nochmal, daß es aufwärts gehen wird mit Dynamo, wenn alle gemeinsam mithelfen. Das hat er gerade auch schon den 13.000 Zuschauern im Stadion mitgeteilt.
Gemeinsamkeit, die wollen sie regelrecht erzwingen bei Dynamo. Vor dem letzten Auswärtsspiel in Nürnberg ließ Reber die Spieler einen Text unterschreiben, in dem sie ankündigten, für Otto zu spielen. Der zwängte sich nach dem 0:0 mit in den Mannschaftsbus und trank dabei – Symbol der Basisnähe – „zum erstenmal in meinem Leben Fanta aus der Dose“. Eine tolle Sache sei das gewesen, sagte er der Dresdner Morgenpost, „so kommt man sich näher“.
Nach der Pressekonferenz kriegt nur Minge aufmunternde Schulterklopfer von den verbliebenen Zuschauern, Otto ist schnell verschwunden, und Reber eilt mit wehendem Jackett dem VIP- Raum entgegen, wo der Mitteldeutsche Rundfunk mit einem Fernsehauftritt lockt. Die Fans, die vor dem Clubhaus in der Sonne sitzen mit ihrem Bier, lassen ihn passieren. Kein Glückwunsch, keine Fachsimpelei. Die feinen Herren aus Frankfurt/Main werden Fremdkörper bleiben in Dresden.
Leverkusen: Vollborn - Lupescu - Wörns, Radschuweit - Fischer, Scholz, Foda, Hoffmann (70. Tolkmitt), Hapal, Kree - Kirsten (23. Herrlich)
Zuschauer: 13.800; Tore: 1:0 Schmäler (31.), 2:0 Zickler (68.)
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