piwik no script img

Artaud, Adorno, Adams

■ Der Hamburger Verlag Rogner & Bernhard feiert seinen 25. Geburtstag dank prägnanter Führung und Gespür fürs Kultische

feiert seinen 25.

Geburtstag dank prägnanter Führung und Gespür fürs Kultische

Daß das Jahr 1968 ein denkwürdig ernstes Jubiläum zeitigt, das findet auch Antje Landshoff, Geschäftsführerin des Rogner & Bernhard Verlages, ein bißchen komisch. Doch was wäre ein Geburtstag ohne jene feine Spur von Unbehagen, für die es immer Gründe gibt. Gefeiert wird auf alle Fälle, nicht nur mit zahlreichen Jubiläumsausgaben. Der vor 25 Jahren in München gegründete und seit 1968 in Hamburg ansässige Verlag hat schließlich schon so manche Krise überdauert - und auch manchen Kopf: Klaus Rogner und Marianne Bernhard etwa, die dem Verlagshaus in der Eimsbüttler Fettstraße einst ihre Namen gaben, sind schon längst nicht mehr dabei.

Seit Anbeginn steht R&B für unverhoffte Offenbarungen und aktive Arbeit in Kulturgeschichte. 1968 eröffnete der Verlag mit der ersten originalgetreuen Faksimile-Ausgabe der Luther-Bibel sowie der vergleichsweise hocherotischen und erstmals vollständig veröffentlichten und kommentierten Josephine Mutzenbacher. An diesem Debüt- Programm kam denn wohl wirklich keine intellektuelle Elite vorbei.

Antje Landshoff, geborene Ellermann, führt seit 20 Jahren die Geschäfte von Rogner & Bernhard. „Alarmiert von seiner Tochter Antje“, so schrieb der Spiegel 1973, saniere der Münchner Ex-Verleger Heinrich Ellermann das vom Konkurs bedrohte Unternehmen und verhindere so, daß das populäre kleine Label einer „Buch-Fabrik zugeschlagen“ werde. An seinem Personal gemessen ist Rogner & Bernhard mit zwei Geschäftsführern und einer weiteren Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auch heute noch weit von der Buch-Fabrik entfernt. Eine höchst beachtliche Größenordnung der Verbreitung seiner Buchprodukte erreicht Rogner & Bernhard über sein Vertriebssystem: Den Frankfurter Versandbuchhandel Zweitausendeins, mit dem sich der Verlag schon vor zehn Jahren verband. Seitdem sind alle lieferbaren Rogner & Bernhard-Bücher nur in den insgesamt neun bundesdeutschen Zweitausendeins-Buchläden sowie über ein weitverzweigtes Mail-Order-Netz erhältlich.

„Der große Vorteil unserer Kooperation mit Zweitausendeins ist, daß wir ein bestimmtes Publikum erreichen, unser Programm zu Zweitausendeins paßt und wir unsere Bücher etwas billiger produzieren können, als der normale Publikumsverlag“, erklärt Antje Landshoff die wohl noch auf lange Sicht beständige Zusammenarbeit. Keine Krise in Sicht: „Wir sind“, sagt Antje Landshoff in aller Offenheit, „seit Jahren schuldenfrei.“

Dazu beigetragen haben auch Autoren wie Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) und Tom Sharp, von deren Büchern der Verlag bis heute „lebt“. 1980 hatte sich Rogner & Bernhard recht preiswert die Rechte am „Puppenmord“ des damals hierzulande völlig unbekannten Sharp erworben, dessen Skurrilitäten fortan die Bestsellerlisten eroberten.

Doch auf der Backlist und im Archiv des Verlags finden sich noch ganz andere literarische Kostbarkeiten. „Es hat immer verschiedene Leute gegeben, die den Verlag sehr prägnant geführt haben“, erklärt Nikolaus Hansen, seit dem Umzug nach Hamburg Mitgeschäftsführer des Verlags. Die Graphik-Reihe etwa, die ein Vermächtnis von Marianne Bernhard ist, oder Antje Landshoffs Reihe politischer Schriften, die Passagen, mit Texten von Lenin, Adorno, Alexandra Kollontai und anderen.

Die Renaissance der Surrealisten begleitete Rogner & Bernhard mit Titeln von Breton, Aragon, Artaud und anderen. Ab den achtziger Jahren veröffentlichte der Verlag Standardwerke zur Rockmusik und entdeckte dem bundesdeutschen Publikum angelsächsische Autorinnen und Autoren wie Sharp, Adams, Jean Rhys oder die amerikanischen Erzähler T.C. Boyle und Terry McMillan. Irgendwie ist es wohl die konkurrenzlose Mischung aus ernstzunehmendem Geheimtip und mit Erscheinen bereits verdächtig klassischem Charakter, der den Rogner & Bernhard-Büchern immer wieder auch ins Feuilleton verhilft. Selbst wenn, so R & B-Pressespre-

1cherin Birgit Knapheide, es gerade da ein „großes Mißtrauen gegenüber dem Mail-Order-System“ gebe.

„Das Verlagsprofil ändert sich, so wie man sich selber ändert“, sagt Antje Landshoff im Jubiläumsjahr über die letzten 20 Jahre ihrer Arbeit. „Wir sind nicht mehr der kleine feine Verlag, sondern haben

1heute einfach auch sehr viele Publikumsbücher im Programm.“ Welchen verlegerischen Traum sie für die Zukunft hege? „Natürlich“, sagt Antje Landshoff, „träumt man immer davon, eines Tages das Buch der Bücher zu machen.“ Aber das hat Rogner & Bernhard ja eigentlich gleich zu Anfang erledigt. Mechthild Bausch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen