"Alles kräftige Kerle"

■ Scherf und die Alten: Asyl am Nachmittag

„Alles kräftige Kerle"

Scherf und die Alten: Asyl am Nachmittag

Nervöses Treiben in der Begegnungsstätte St. Magni: Kaffeetassen werden hin und her geschoben, Notizblöcke gezückt und Meinungen mit den Nachbarn ausgetauscht: Ein Senator steht ins Haus. Henning Scherf war in der letzten Woche eingeladen worden, um mit den alten Leuten die Asylfrage zu diskutieren.

Nachdem Scherf jeden Diskussionsteilnehmer per Handschlag begrüßt hatte, begann die Leiterin der Begegnungsstätte: „Die Senioren sind unzufrieden und ängstlich. Sie wollen jetzt mal Luft ablassen.“ Die Senioren aus St. Magnus konnten sich nur mühsam beherrschen, ihre Fragen der Reihe nach zu stellen. Einig waren sie sich aber, daß in Bremen Nord viel zu viele Asylbewerber herumlaufen: „Was machen denn die ganzen Schwarzafikaner bei uns? Das sind doch alles junge, kräftige Kerle, wieso arbeiten die denn nicht?“ Der Bildungssenator machte auf das bis vor zwei Jahren geltende Arbeitsverbot aufmerksam, und: „Heute haben Asylbewerber die rechtliche Möglichkeit zu arbeiten, jedoch ist das Arbeitsamt gezwungen, Arbeitslose bei der Jobvergabe vorzuziehen.“ Zwischenruf: „Das ist auch richtig so.“ In diesem Punkt waren die Senioren nicht zu erweichen.

Ghana und Nigeria zählten für sie nicht zu den notleidenen Ländern: „Wir haben nach dem Krieg auch unendlich viel gelitten und gearbeitet, aber wir haben unser Land doch auch nicht verlassen.“ Einig waren sich die alten Leute nur bei den Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien: „Diese armen Leute müssen wir natürlich aufnehmen.“ Ungläubigkeit breitete sich aus, als Henning Scherf darauf hinwies, daß es in Deutschland „das Boot nicht zu voll“ sei: „Wir sind eine Schrumpfgesellschaft. Das Argument, wir wären zu viele, gilt nicht.“

Wenn auch ungern, so gaben die Senioren sich damit zufrieden — aber nur, um sich vereint auf das Wesen der Politiker zu stürzen: „Warum können Politiker sich nie einigen? Die wollen immer nur an die Macht und viel Geld einstecken. Warum nehmen die Politiker keine Flüchtlinge in ihre Villen auf?“

In einer grundsätzlichen Rede bat Scherf, sich auf die neue weltpolitische Lage einzustellen: „Ich möchte Sie bitten, auch auf Ihre alten Tage an der neuen Orientierung mitzuarbeiten. Die Nachkriegszeit ist endgültig vorbei. Reden sie bitte einmal mit ihren Kindern und Enkeln über die neue Lage.“ Diesem Wunsch des Senators wollten die alten Leute dann auch mit größtem Vergnügen nachkommen. cab