: Von wegen „schonungslose Offenheit“
■ Wedemeier: weniger als viele andere gewußt über seine Wahlkampf-Finanzierung?
Wenn der Pressesprecher des Bürgermeisters vor der Parteizentrale mit den JournalistInnen warten muß, dann ist die Lage ernst. Ab 15 Uhr tagte gestern der Landesvorstand der SPD, vier Stunden mußten rund 30 JournalistInnen und der Bürgermeister-Sprecher vor der Tür verharren: Tritt er zurück, oder tritt er nicht zurück?
„Schonungslose Offenheit“ hatte der SPD-Landesvorsitzende Konrad Kunick am Montag gefordert und gleichzeitig erklärt, der Landesvorstand gehe „als Möglichkeit“ davon aus, daß die Spende von Bremer SPD-Kreisen veranlaßt worden war. Kunick wörtlich: „Ich gehe davon aus, daß bei der damaligen Lage der Partei unter denen, die sich um die Spende bemüht haben, der Wunsch, die Spende letztlich in Bremen zu sehen, vorhanden war.“ Also gab es doch eine 90.000-Mark-Spende aus dem Hause des Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitzenden Wedemeier für den Wedemeier-Wahlkampf?
Alle Kenntnisse von der zweiten Stadtwerke-Rate, die im April 1992 geflossen und dann vom Bremer Schatzmeister zurückgeholt worden war, hatten SPD-Politiker bisher abgestritten. Nach den Enthüllungen der letzten Tage kommt aber einigen doch die Erinnerung wieder. Der Bremer Schatzmeister Heiner Erling etwa, am Wochenende aus dem Urlaub zurückgekehrt, erinnert sich genau: Am Rande der Bürgerschaft am 25.6.1992 hat er mit den Mitgliedern des geschäftsführenden Landesvorstandes der SPD, mit Isola, Stelljes und Schriftführer Ziegert darüber gesprochen. Von dem Landesgeschäftsführer Marckhoff hatte er erfahren, daß es nicht nur die gerade publik gewordene Spende 1991 gab, sondern auch eine 30.000 Mark-Spende 1992. Diese zweite Rate sollte möglichst aus der Welt geschafft, sprich: zurückgeholt werden, verabredete der Kreis der Vier. Erling fuhr am 9.Juli 1992 nach Bonn und besprach das mit der Schatzmeisterin (s. unser Interview)
Von alledem nichts gewußt hat nur der Bürgermeister: Er habe erst über den Untersuchungsausschuß 1993 von der zweiten Spende erfahren, beteuerte er als Zeuge Anfang April. Auch im Dezember 1991, als eine Stadtwerke- Sekretärin beim SPD-Geschäftsführer anrief und fragte, auf welches Konto die erste Spende überwiesen werden sollte, wußte Aufsichtsratsvorsitzender Wedemeier von nichts: Erst aus dem schriftlichen Stadtwerke-Protokoll habe er die Tatsache der Spende erfahren, Wochen nach dem Bremer SPD-Schatzmeister und seinem SPD-Geschäftsführer, erklärte er immer wieder.
Daß ausgerechnet er ausgerechnet in dieser Sache notorisch weniger wußte als Bremer SPD- Genossen, das glauben immer weniger Parteimitglieder. Eine Unwahrhaftigkeit beweisen konnten sie ihm gestern auf der Landesvorstandssitzung aber nicht, und eine personelle Alternative ist auch nicht in Sicht. So verstrich diese Chance für „schonungslose Offenheit“ — in banger Erwartung der nächsten Zeugen, die vor dem Stadtwerke-Ausschuß aussagen. K.W.
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