: Toter im Überseekoffer wurde identifiziert
■ Leiche zwei Wochen in der Havel getrieben / Todesursache Rauschgift?
Berlin. Die Leiche, die in einem großen Überseekoffer mindestens 14 Tage in der Havel trieb, bevor sie am vergangenen Mittwoch gefunden wurde, ist identifiziert. Der mit einem weißen T-Shirt mit dem Brustaufdruck „Sound und Devision, Berlin 1990, David Bowie“ und einer lilafarbenen Stoffhose bekleidete Mann war 22 Jahre alt und in Spandau gemeldet.
Wie der Kripobeamte der Vermißtenstelle, Manfred Kraatz, mitteilte, haben inzwischen Bekannte des jungen Mannes die Polizei über die Identität des bis vorgestern Unbekannten unterrichtet. Es sei davon auszugehen, daß der junge Mann keinem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sei. Vieles deute darauf hin, daß er am Konsum von Rauschgift starb. Ein Tod durch Ersticken oder Ertrinken könne ausgeschlossen werden, weil dafür keine Anzeichen gefunden worden seien. Genauere Erkenntnisse erwarte man sich von einem chemisch-toxikologischen Gutachten.
Unter den rund einhundert Toten, die jährlich in Berlin ohne Personalpapiere gefunden werden, sind nach Schätzung von Kraatz sieben bis zehn rauschgiftsüchtig gewesen. In neunzig Prozent aller Fälle erfolge eine Identifizierung. Daß sich Junkies eines an einer Überdosis oder schlechten Stoffes gestorbenen Drogenabhängigen zu entledigen versuchen – zumal wenn dieser in der eigenen Wohnung zu Tode kam – kann der Kripobeamte „verstehen“. Schließlich setzte sich kein Drogenabhängiger gern freiwillig dem Risiko aus, sich von der Polizei überprüfen zu lassen, wenn er neben dem Toten auf die Beamten warte.
Einen so krassen Fall, daß ein Toter in einem Koffer versenkt wird, hat der Beamte jedoch in seiner langjährigen Dienstzeit noch nicht erlebt. „Wir grübeln jetzt natürlich über den Grund.“ Fest stehe bislang nur, daß der 22jährige bei seiner Mutter nur hin und wieder aufgetaucht sei und am Karfreitag zum letzten Mal gesehen wurde.
Eine Leiche zu versenken ist kein Straftatbestand, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Der Verstoß gegen das Bestattungsgesetz, das eine Erd- oder Feuerbestattung vorschreibt, wird mit einer maximalen Geldbüße von 3.000 Mark geahndet.
Ein auf den Fall angesprochener ehemaliger Drogenabhängiger bei Synanon kann sich nicht vorstellen, daß andere Junkies versuchten, sich des 22jährigen auf diese Art und Weise zu entledigen. Drogenabhängige seien zwar „ziemlich verroht, aber so gefühllos nun auch wieder nicht“. Außerdem sei das alles viel zu anstrengend. „Ich würde eher auf einen Dealer tippen, der zugegen war, als der Mann starb, und sich sehr großen Ärger eingehandelt hätte.“ plu
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