: Die Partei peitscht Engholms Erben in den Endspurt
■ Viele fordern rasche Entscheidung / Thierse bedächtig für „Urwahl“ des Kanzlerkandidaten / Frauen hoffen auf Renate Schmidt, Hessen auf Wieczorek-Zeul
Bonn (AFP/AP/taz) – In der SPD mehren sich die Stimmen, die eine rasche Entscheidung über die Engholm-Nachfolge fordern. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck verlangte einen Sonderparteitag im Juli. Auch Hessen- Chef Hans Eichel und mehrere Bundestagsabgeordnete verlangten, die Nachfolgefrage vor der Sommerpause zu klären. Zuständig für die Einberufung eines Sonderparteitages wäre der SPD-Parteirat, der am 18. Mai tagt.
SPD-Vize Wolfgang Thierse warb dafür, den Kanzlerkandidaten in einer Urabstimmung aller Parteimitglieder zu bestimmen. Er begründete seinen Vorschlag in der Zeit damit, daß die Partei sich „in einem Wechselbad von Mißtrauen, Resignation, Desorientierung und Demotivierung“ befinde und das Bedürfnis nach Neuanfang habe. Struck und der Juso-Vorsitzende Ludwig sprachen sich gegen eine Urabstimmung aus, weil dies zu zeitaufwendig sei.
Verschiedene SPD-Frauen hoffen auf Renate Schmidt. Sie selbst sagte Bild: „Ich nehme mir die Freiheit, selber zu entscheiden, ob und wann ich wofür antrete.“ Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende: „Eine hervorragende Kandidatin.“ In Anspielung auf die Bewerbung Gerhard Schröders ergänzte sie: „Ich bin dagegen, daß die Partei der Solidarität Illoyalität belohnt.“ Auch die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Karin Junker, würde eine Schmidt-Kandidatur „begrüßen“.
Der hessische SPD-Landesvorstand unterstützt die Kandidatur von Heidemarie Wieczorek-Zeul für den SPD-Bundesvorsitz, teilte der SPD-Landesvorsitzende Eichel in Wiesbaden mit. Ministerpräsident Eichel verwies zur Begründung darauf, die gegenwärtige Bonner Formschwäche der SPD mache es notwendig, „daß jemand sich mit aller Kraft um die Partei kümmert“. Auch die Jusos favorisieren die dem linken Flügel zugerechnete Politikerin als Parteivorsitzende, möchten Gerhard Schröder aber als Kanzlerkandidaten. Struck unterstrich, aus seiner Sicht komme für beide Posten nur Schröder in Frage: „Jetzt wird ein Mann gebraucht, dem anzusehen ist, daß er Kanzler werden will.“ Er halte nichts davon, beide Funktionen zu trennen.
Der Abgeordnete Kuhlwein forderte unterdessen einen Wechsel auch an der Spitze der Bundestagsfraktion, die am Dienstag neu gewählt werden soll. Man brauche einen „mutigen und kontaktfreudigen“ Vorsitzenden. Dafür gebe es „geeignetere Kandidaten als Hans-Ulrich Klose“, meinte er. So weit, so gut. Aber wen? Kuhlwein fiel der bisherige Fraktionsvize Dreßler ein. Das fand selbst dieser „absurd“.
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