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„Geschenke“ aus Deutschland

„Entsorgungs“kolonialismus: Deutschland – Rumänien und zurück / Rücknahmeabkommen für Flüchtlinge, aber nicht für deutsche Giftmülltransporte  ■ Von Ylyos Mec und Isabel Nieto

Von Deutschland nach Rumänien, Polen, Albanien, in die Tschechische und Slowakische Republik, in die GUS-Staaten, nach Indonesien, Pakistan, Indien und in andere südostasiatische Länder: Das sind nicht etwa die neuesten Reiseziele der Deutschen, sondern die ihres Mülls – und der ist oft giftig. Die genannten Länder sind die Zielorte für die illegalen Müllexporte.

Das in den Industriestaaten vor allem in Deutschland stark ausgeprägte Umweltbewußtsein materialisiert sich nicht nur in der verinnerlichten Sammlung von getrenntem Hausmüll. Auch die Gesetze zur Müllentsorgung werden zumindest auf europäischer Ebene immer restriktiver: So gibt es Vorschriften für Lagerung und Transport, die strikt befolgt werden müssen und deren Einhaltung kostspielig geworden ist. Lebens- und Produktionsweisen ändern sich dagegen kaum: die Diskrepanz zwischen vermeintlichem Umweltbewußtsein und der Bereitschaft, danach zu leben, ist groß. Recyclingkonzepte greifen nur langsam. Müllvermeidungsstrategien werden nicht entwickelt. Mülldeponien und Verbrennungsanlagen sind teuer geworden, so daß viele Industrieunternehmen ihre giftigen Abfälle ins Ausland verschieben.

Und da kommt es nicht allzuoft vor, daß sich ein Umweltminister höchstpersönlich für den „unsauberen“ Export entschuldigt und den Rücktransport anordnet. So geschehen im rumänischen Sibiu. Im Mai 1992 deckte die Umweltschutzorganisation Greenpeace den illegalen Transport von Sondermüll nach Rumänien auf. Es handelte sich hierbei um alte und giftige Pflanzenschutzmittel, die als „Wirtschaftsgut“, „humanitäre Hilfslieferungen“ oder „Geschenke der Treuhand“ deklariert waren. Trotz des Versprechens, die in Lagerhallen und auf Obstplantagen gelandete „humanitäre Hilfe“ sofort zurückzunehmen, dauerte es fast ein Jahr, bis die inzwischen verrosteten Giftfässer wieder nach Deutschland kamen. Umweltminister Töpfer mußte der Rückführung zustimmen, da ansonsten eine Haftung nach dem Verursacherprinzip bestehe. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, daß es sich um eine einmalige und freiwillige Aktion handele und nicht um einen Präzendenzfall für die Zukunft.

Weit gereist ist des Deutschen Müll. Auf indonesischen Mülldeponien fanden Redakteure des ARD-Fernsehmagazins „Panorama“ 2.000 Tonnen Plastikabfälle mit dem grünen Punkt: Trotz des Importverbots, den die indonesische Regierung für Plastikmüll verhängt hatte.

5.000 Fässer mit einem äußerst aggressiven Entgiftungsmittel gegen chemische Kampfstoffe aus Beständen der Nationalen Volksarmee wurden im russischen Minsk entdeckt. Eine deutsche Entsorgungsfirma nahm dem Bund für 7.500 DM pro Tonne die Giftfässer ab, entsorgte sie jedoch nicht und reichte sie heimlich weiter. Als der Deal aufflog, hieß es, die Chemikalie werde zur Entgiftung von Gebäuden benötigt, die von der Tschernobyl-Katastrophe betroffen sind. Chemiker betonen aber die absolute Wirkungslosigkeit chemischer Entgiftungsmittel bei Radioaktivität.

Exterritoriale deutsche Müllentsorgung wird auch betrieben in Polen, Pakistan, Indien, Malaysia, in der Tschechischen Republik, im Baltikum, um nur einige Länder zu nennen.

Doch damit nicht genug. Im eigenen Land nicht mehr gesellschaftsfähig, wird nun auch die Atomenergieproduktion ins Ausland verlagert. Deutsche Stromkonzerne investieren in völlig veraltete Atomkraftwerke in der Slowakei, Bayernwerk und Preussen- Elektra rüsten Reaktoren in Mochovce auf, deren umfangreiche Sicherheitsmängel sogar in einer offiziellen Studie der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit nachzulesen ist. Bezahlen lassen sich die Stromkonzerne ihre Dienste mit Atomstrom, obwohl sie wissen, daß es in dem Werk „nie die deutschen Sicherheitsstandards“ geben wird, wie der Bayernwerksprecher zugibt.

Greenpeace befürchtet, daß diese Art der Atomenergiegewinnung in Osteuorpa für deutsche Verbraucher Schule machen wird. In Albanien zeichnet sich diese Entwicklung bereits ab.

Europa und auch Deutschland bleiben so vermeintlich sauber und sicher. Jedoch nicht ganz: Für rechte Ökologen stellen schon die hier lebenden AusländerInnen eine Umweltbelastung dar. Deutschland ist ein dichtbesiedeltes Land und Migration bedeute eben zusätzlichen Flächenverbrauch und mehr Abfall.

Für den Abfall gibt es bereits eine Lösung: Den Müllkolonialismus. Für die AusländerInnen wird eifrig daran gearbeitet. Um sie wieder loszuwerden, werden nicht nur Ausländer- und Asylrecht verschärft, sondern auch Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern geschlossen (Beispiel Rumänie, 24.9.1992). Die Bestrebungen, „Rücknahmeabkommen“ über den ins Ausland verschobenen deutschen Müll zu schließen, sind weniger eifrig.

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