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Der serbische Eroberungskrieg geht weiter

■ Das „Parlament“ der bosnischen Serben lehnt Friedensplan ab

Genf (taz) – Nach der erneuten eindeutigen Ablehnung des Vance-Owen-Plans durch das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben in Pale wurde gestern wieder die Uneinigkeit der internationalen Staatengemeinschaft über das weitere Vorgehen deutlich. Zwar reagierte man von Washington bis Moskau mit starken Worten auf die Entscheidung. Tatsächlich zeichnet sich jedoch eine unbehinderte Fortsetzung des serbischen Eroberungskrieges ab – mindestens bis zum vom „Parlament“ in Pale beschlossenen Referendum am 15./16. Mai, in dem alle bosnischen Serben über den Friedensplan abstimmen sollen. Der UNO-Sicherheitsrat in New York begann gestern abend erst einmal, über die Einrichtung von Schutzzonen um Zepa und andere von serbischen Truppen belagerte Städte zu beraten.

Mit dem Beschluß von Pale ist die Entsendung einer 70.000 Mann starken UNO- Truppe zur Überwachung eines von allen drei bosnischen Kriegsparteien unterzeichneten Abkommens wieder in weite Ferne gerückt. Nur für dieses Szenario gibt es bisher einen politischen Konsens sowie die Bereitschaft einer Reihe von Staaten, Soldaten abzustellen. Für die Option militärischer Kampfmaßnahmen existiert bislang weder politische Übereinstimmung, noch hat sich irgendeine Regierung bereit erklärt, für derartige Maßnahmen auch Truppen zur Verfügung zu stellen.

Nach den unverbindlichen Reaktionen seiner Gesprächspartner in London und Paris stieß US-Außenminister Christopher in Moskau – noch vor der Abstimmung in Pale – auf ausdrückliche Ablehnung militärischer Kampfmaßnahmen. Nach der Entscheidung des bosnisch-serbischen „Parlaments“ reagierte Rußlands Außenminister Kosyrew zwar mit starken Worten („Schlag unter die Gürtellinie“). Zugleich entsandte er jedoch seinen Vize Tschurkin nach Belgrad, um die „allerallerletzte Chance“ für eine diplomatische Lösung auszuloten.

Nach seinen gestrigen Gesprächen mit Nato-Generalsekretär Wörner nannte Christopher das geplante Referendum eine unakzeptable Zeitschinderei der bosnischen Serben. Er werde weiterhin einen Konsens unter den US-Bündnispartnern über „schärfere Maßnahmen“ suchen. Über Details oder zeitliche Fristen wollte sich Christopher ebensowenig äußern wie US-Präsident Clinton. Der ließ über seine Sprecherin lediglich seine „Enttäuschung“ über das Votum von Pale mitteilen.

Der UNO-Sicherheitsrat begann gestern eine Debatte über den Antrag seiner fünf blockfreien Mitgliedstaaten, fünf von serbischen Truppen belagerte Städte förmlich zu „sicheren Zonen“ zu erklären. Das würde die UNO verpflichten, diese Zonen dann auch durchzusetzen und auf Dauer abzusichern. Aus diesem Grunde hatten die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates schon vorher Bedenken dagegen erhoben. Die bisher in Bosnien stationierten UNPROFOR-Truppen seien nicht in der Lage, einen derartigen Beschluß auch umzusetzen. Die Stadt Zepa stand nach Berichten von Funkamateuren gestern kurz vor dem Fall in die Hände ihrer serbischen Belagerer. Diese Berichte wurden allerdings von UNO-Personal zunächst nicht bestätigt. Beobachter der UNPROFOR, die nach einer Vereinbarung zwischen deren oberkommandierendem General Morillon und der serbischen Militärführung vom Mittwoch nach Zepa fahren sollten, wurden an einem Kontrollpunkt von serbischen Soldaten festgehalten. Andreas Zumach

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