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Video zeigt BGS-Einsatz in Kreuzberg

■ Amateurfilm beweist, daß am 1. Mai in der Oranienstraße „Horst-Wessel-Lied“ ertönte / Wer singt, ist nicht erkennbar

Kreuzberg. Ein Amateurfilmer hat am 1. Mai genau in dem Moment den Auslöser seiner Viedeokamera betätigt, als Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) nach Aussagen zweier Augenzeuginnen das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen haben. Der vom Dach eines Hauses in der Oranienstraße aufgenommene Film, den die taz gestern sah, zeigt eindeutig, wie unten auf der Straße 30 bis 40 weißbehelmte Beamte in einem Block in Richtung Oranienplatz marschieren. Übertönt von der allgemeinen Geräuschkulisse und erst nach mehrmaligen Zurückspulen deutlicher zu verstehen, sind die in der dunklen Straßenschlucht gesungenen Textfetzen „Die Reihen fest ...“. Die Worte „fest“ und „geschlossen“ sind allerdings eher zu erahnen als zu verstehen. Ein Beweis dafür, daß die Beamten diejenigen waren, die das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen haben, ist das Video somit nicht. Der Filmer, der anonym bleiben möchte, war zum Zeitpunkt, als das Lied ertönte, so weit vom Block der Uniformierten entfernt, daß sich deren weiße Helme wie Stecknadelköpfe in der Dunkelheit ausnehmen.

Im Film sind allerdings viele Menschen zu sehen, die Zeugen der Vorgänge geworden sein müssen: Rund 15 Beamte marschieren in loser Formation links des Blocks. Kurz darauf fahren auch zwei Polizeifahrzeuge langsam vorbei. Auf den Bordsteinen im Hintergrund und später auch links vorn, umringt von einigen Beamten mit gezücktem Schlagstock, sind auch Passanten zu sehen. Die später durch das Teleobjektiv aufgenommenen Beamten haben einen schwarzen Strich auf ihren Helmen. Eine Kopie der Filmszene wurde dem Staatsschutz gestern ausgehändigt.

Der Leiter des Bundesgrenzschutz-Kommandos Ost, Lothar Busch, hält es „für ausgeschlossen“, daß der Verdacht zutrifft. „Bei uns wird grundsätzlich nicht gesungen, und während des Einsatzes schon gar nicht“, so Busch zur taz. Das sei schon allein wegen des Kinnschutzes unmöglich. Auch wenn die Erkenntnise noch „ungesichert“ seien, ist Busch der Auffassung, daß inzwischen vieles dafür spricht, daß vielmehr „Störer bewußt gesungen haben“. Die Mitglieder dieser Einheit kommen laut Busch aus Ahrensfelde und tragen den Körperpanzer über dem Kampfanzug sowie rein- weiße Helme.

Der Staatsschutz erklärte gestern, es werde nach allen Seiten ermittelt. Nicht nur gegen den BGS, sondern gegen „alle, die als Sänger in Betracht kommen“. Gestern hätten sich zwei weitere Zeugen gemeldet und mehrere Personen, die allerdings nur Angaben zum Gesamtgeschehen machen könnten. Über den Verlauf der gestrigen Vernehmung der beiden ersten Augenzeuginnen wurde bis Redaktionsschluß nichts bekannt. plu

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