■ Den Keil jetzt zwischen „die Serben“ treiben
: Sollbruchstellen

Selbst wenn die Friedensappelle beim Auftritt des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević vor dem selbsternannten „Parlament“ der bosnischen SerbInnen nur eine der unzähligen Medienshows des großen Manipulators waren: „Die Serben“ als eine ihren Interessen nach homogene Partei im nachjugoslawischen Balkanchaos existieren nicht mehr. Gab es „sie“ je in der Form, die uns die westlichen Medien präsentieren? In Belgrad, in der serbisch besetzten Krajina, in den von SerbInnen eroberten Gebieten Bosnien-Herzegowinas herrschen merkwürdige Koalitionen aus national gewendeten AltkommunistInnen, von Existenzängsten motivierten Militärs, sozialen AbsteigerInnen, Kriminellen und nationalistischen Ultras. Bisher hat der Westen nicht einmal versucht, diese sich gesamtserbisch gebärdenden, unheiligen Allianzen an ihren Sollbruchstellen zu spalten. Unter anderem deshalb konnte Slobodan Milošević, der größte aller aus dem Wrack des titoistischen Dritten Weges entstiegenen Kriegstreiber, seine unsicheren Alliierten Karadžić, Babić und Šešelj immer wieder zur Raison bringen. Ganz nebenbei bemerkt: Daß Helmut Kohl vor knapp einem halben Jahr den Amerikano-Serben Milan Panić nicht einmal empfangen wollte, und so letztlich den Wahlsieg Miloševićs förderte, ist auch eine Folge dieser Fixierung auf „den Serben an sich“.

In Pale hat sich, Medienshow und bekannte Hinhaltetaktik „der Serben“ hin oder her, gezeigt, wo die Sollbruchstellen zwischen den verschiedenen Gruppen im serbischen Lager liegen. Der bosnische „Serbenführer“ Karadžić kann die im Vance-Owen-Plan vorgesehene Aufteilung Bosniens nicht akzeptieren, weil ihm so längerfristig seine Hauptnachschublinien verlorengehen würden. Ohne regelmäßige Unterstützung von der aus den Republiken Serbien und Montenegro bestehenden „Bundesrepublik Jugoslawien“ wird aber kein bosnischer Serbenstaat zu halten sein. Ähnliches gilt auch für Babić, den selbsternannten „Präsidenten“ der „Serbischen Republik Krajina“ auf dem besetzten Territorium der Republik Kroatien. Slobodan Miloševićs Republik Serbien dagegen könnte sich offenbar mit Vance-Owen arrangieren. Sei es durch die Last der Sanktionen, sei es, weil Milošević Kapazitäten für anstehende Konflikte im serbisch besetzten Kosovo freistellen muß: Die Chancen jedenfalls, von Rest-Jugoslawien zumindest eine stillschweigende Duldung für eine militärische Intervention gegen die immer brutaler agierenden serbischen Banden in Bosnien zu erreichen, standen noch nie so gut wie heute.

Weshalb der EG-Vermittler Lord David Owen es angesichts dieser Möglichkeiten beim Lob für den frischgebackenen Friedensengel Milošević beläßt, ist rätselhaft. Statt dessen hätte der Ankündigung Miloševićs, nunmehr die Hilfslieferungen für die bosnischen Landsleute einzustellen, sofort die Forderung nach einer UNO-Überwachung der jugoslawisch-bosnischen Grenze folgen müssen. Ein partieller Zusammenbruch der Aggressionsarmee der bosnischen Serben wäre eine Folge. Bei einer Belgrader Ablehnung aber hätte die internationale Gemeinschaft zumindest die Gewißheit, daß in Bosnien-Herzegowina alleine keine Intervention machbar ist. Rüdiger Rossig