: Ein Maler zwischen Nazi-Kritik und Anpassung
■ Erste Werkschau von Jan Oeltjen in Oldenburg / Auftragswerk der Gauleitung hinter Wandverkleidung versteckt
Maler und Muse: Jan Oeltjen und Ehefrau Elsa
Die Nazis brandmarkten seine Werke als „entartet“. Gleichzeitig schuf er im Auftrag der Gauleitung Oldenburg ein Fresko für den Landtag. Fasziniert beobachtete er die Entwicklungen der Modernen Kunst, blieb selbst aber zeitlebens am Gegenständlichen orientiert. Er war hin- und hergerissen zwischen zwei Heimaten, dem weiten Marschland am Jadebusen, wo er geboren war, und der südlichen Steiermark im heutigen Slowenien: Jan Oeltjen (1880-1968), ein Maler voller Widersprüche. Das Landesmuseum Oldenburg und der Oldenburger Kunstverein zeigen jetzt erstmals in Deutschland eine umfassende Werkschau.
„Von solch einem Volksredner lasse ich mich nicht regieren“, notierte Jan Oeltjen Anfang 1933 über Hitler. Hitlers Reden seien „mitreißend, wenn man... Lust hat, dumm genug zu
sein“. Die Kunst der Nazis beurteilte er hart: „Kitsch; ohne Sinn; leere Kulisse.“ Das war 1936. 1937 wurde ein Teil seiner Bilder als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Doch im selben Jahr nahm Oeltjen einen öffentlichen Großauftrag an und schuf eine Fresko für den Oldenburgischen Landtag. Nachkriegsrestauratoren versteckten das Fresko hinter einer Wandverkleidung. — Wäre es zu sehen, würden zu viele Hakenkreuzbinden, Hitlerjungs und Wehrmachtsoldaten den Konflikt des Malers zwischen dem eigenen Kunstverständnis und der Not, seine Familie ernähren zu müssen, sichtbar machen.
So jedenfalls erklärt der Oldenburger Kunstkritiker Jürgen Weichardt, Vorstandsmitglied des Kunstvereins, die Widersprüchlichkeit in Oeltjens Haltung. Insgesamt stuft Weichardt den Maler als „völlig unpoli
tisch“ ein: Oeltjen bezog weder Zeitungen noch hörte er Radio. In seinen Tagebüchern finden sich keine Kommentare zur Machtergreifung, zur Reichspogromnacht oder zum Kriegsausbruch. Den Maler Jan Oeltjen interessierte mehr das Private. Obwohl deutlich gegenständlich, gehen seine Bilder weit über das Sichtbare hinaus. Ihm lag „die Darstellung der Gefühle, ja der Seele“ am Herzen. Seine Aquarelle von der Ostfront im ersten Weltkrieg sind erschütternde Dokumente von Zestörung und Hoffnungslosigkeit. — Er portraitierte verstörte deutsche Soldaten ebenso einfühlsam wie die angeblich feindliche Zivilbevölkerung in den Trümmern.
Der Mensch und seine Beziehung zur Umwelt bestimmt das gesamte Werk Jan Oeltjens. Auch in seine Landschaftsbilder fügt er Menschen mit ein. Am deutlichsten wird dies am „Winzer“. Das Ölgemälde von 1923 zeigt Jan Oeltjen und seine österreichische Ehefrau Elsa Oeltjen- Kasimir einander halb zu- halb abgewandt im Hof eines Bauerngutes. Hinter Jan Oeltjen erstreckt sich das weite Marschland Norddeutschlands, in Elsas Hintergrund werden die Weinberge ihrer steiermärkischen Heimat sichtbar. „Gerade in diesem Bild“, schwärmt Peter Reindl, Chef des Landesmuseums, „offenbart sich Oeltjens ganze Zerrissenheit. Hier hat er seinen eigenen Stil gefunden.“
Ein Stil, den Oeltjen in den kommenden Jahren auszubauen versuchte. Doch seine wirtschaftliche Lage zwang ihn immer wieder zu Kompromissen: Während der Inflation verlor er sein gesamtes Vermögen, mußte von da an Auftragsarbeiten annehmen und war auf Protektion angewiesen. Der Erfolg blieb aus. Das Ehepaar Oeltjen zog nach jahrelangem Pendeln 1939 endgültig vom Oldenburgischen in die Steiermark. Dort hatte Oeltjen auf Elsas Drängen kurz nach der Heirat (1911) einen Weinberg gekauft. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Oeltjen als Deutscher enteignet und interniert. Auf Vermittlung slowenischer Freunde durfte er später als Restaurator an einem kleinem Museum arbeiten. Erst mit über 70 Jahren fand er künstlerische Anerkennung in seiner neuen Heimat. In Slowenien gilt er noch heute, 25 Jahre nach seinem Tod, als einer der bedeutendsten Maler dieser Region. Die Oldenburger Retrospektive soll ihm den Durchbruch in Deutschland verschaffen. Über 280 Gemälde und Aquarelle haben Landesmuseum und Kunstverein zusammengetragen. Isabelle Yeginer
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