: Die doppelte Botschaft des Scheins
■ Dinare und Tolare: Eine kleine Geldkunde aus dem ehemaligen Jugoslawien An den Banknoten läßt sich auch das Bewußtsein der Herausgeber ablesen
Zagreb (taz) – Viel Geld gibt es jetzt in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens – besser gesagt: viele Währungen. Serbien und Montenegro haben nicht nur die Waffen der ehemals gemeinsamen jugoslawischen Volksarmee und das Staatsvermögen übernommen, sondern auch den alten jugoslawischen Dinar. Von den Staatsschulden des alten Jugoslawiens wollen die Serben jedoch nichts mehr wissen.
Das wiederum schert die Slowenen wenig. „Hauptsache, wir sind draußen“, heißt es dort. Einhellig wurde im Sommer 1991 die Einführung einer eigenen Währung, des Tolar, begrüßt. Und als wenig später die kroatische Regierung mit dem kroatischen Dinar folgte, war die alte Währungseinheit Jugoslawiens endgültig dahin. Mit der Unabhängigkeit Bosniens am 6. April 1992 schlug dann die Stunde weiterer Währungen.
Die Kroaten der Westherzegowina machten es sich einfach und übernahmen kurzerhand den kroatischen Dinar. Der bosnisch- serbische Dinar ist dagegen eine Eigenschöpfung, das sogenannte „Karadžić-Geld“. Das gilt auch für den bosnischen Dinar, der in der von der bosnischen Regierung kontrollierten Zone gilt.
Der slowenische Tolar, so sagte kürzlich ein Freund aus Ljubljana, werde mit t geschrieben, weil er härter als der Dollar sei. Seit dem 8. Oktober 1991, als die slowenischen „Bons“ ausgegeben wurden – die kroatischen folgten bald – hat zwar der Tolar wie der Greenback gegenüber der D-Mark an Wert verloren, doch die neue Währung hielt sich erstaunlich gut. Der Spruch zeigt immerhin, daß sich die Slowenen etwas Ironie noch leisten können.
Hatten im Herbst 1992 die drei Währungen Sloweniens, Kroatiens und Serbiens den gleichen Umtauschkurs von 40:1 zur D-Mark, kostet eine Mark heute rund 65 Tolar. Die Kroaten dagegen müssen den Kurs ihrer Währung täglich korrigieren. Die Mark ist dieser Tage schon auf 1.200 kroatische Dinar geklettert. Und für die Serben haben sich nicht einmal die Eroberungen durch die Armee gerechnet. Mit 110.000 Dinar ist die D-Mark unerschwinglich teuer geworden.
Ist der Geldschein wirklich allein der Ausdruck des Werts? Nein, er ist zugleich Ausdruck des Bewußtseins. Die Scheine der bosnischen Serben sind mit dem Adler und dem Symbol der Tschetnik- Bewegung, den 4 S, recht kriegerisch geraten. Freundlich und friedlich präsentieren sich die bosnischen Dinare: neben der recht klein gedruckten bosnischen Flagge (blaues Feld mit sechs weißen Lilien) stehen die Wertangaben in lateinischer und kyrillischer Schrift – das alte bosnische Bewußtsein der multikulturellen Gesellschaft wird weiter hochgehalten. Der Kurs der beiden Währungen gegenüber der D-Mark dagegen bleibt unbestimmt – er schwankt regional und ist mit dem des serbischen Dinar vergleichbar.
Auf den kroatischen Dinaren herrscht die geschichtliche Selbstbehauptung vor. Trutzig trotzt der Dom von Zagreb allen Feinden der katholischen Nation. Auf der Rückseite jedoch ist mit dem Konterfei des Wissenschaftlers Boskovic immerhin ein Mann der Aufklärung des 18. Jahrhunderts abgebildet. Gegenüber den slowenischen Tolar-Scheinen wirken die kroatischen Dinare recht bieder. Das moderne, futuristische slowenische Design, mit kräftigen Farben hervorgehoben, läßt endgültig die proletarischen Kopftuchfrauen des jugoslawischen Dinar vergessen. „Wir sind Teil der modernen Welt,“ heißt die Botschaft des Tolar.
Wer in Ljubljana in Geschäften und Restaurants bezahlen will, der muß schon die einheimische Währung in der Tasche haben. Wer D-Mark-Scheine zückt, wird mit einem beleidigten Blick bestraft. In Kroatien dagegen sind die Auslagen der Geschäfte der Einfachheit halber zunehmend gleich in der deutschen Währung ausgezeichnet. Und in Sarajevo ist die D-Mark das eigentliche Zahlungsmittel, selbst in der serbisch besetzten Zone Bosniens. „Die Einheit Bosniens manifestiert sich noch in der allgemeinen Gültigkeit der D-Mark“, witzelte ein bosnischer Journalist, „und das, obwohl doch das ,Vierte Reich‘ im serbischen Teil der Hauptfeind ist.“ Erich Rathfelder
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