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Kein sicherer Hafen für Wale

Am zweiten Tag der Jahreskonferenz der Internationalen Wahlfangkommission (IWC) im japanischen Kyoto gelang es nicht, für den Vorschlag zur Einrichtung einer Schutzzone für Wale in antarktischen Gewässern deutliche Mehrheiten zu gewinnen. Die Walfänger können auftauchen und durchatmen.

Die Walfangnationen Japan und Norwegen konnten gestern auf der Jahreskonferenz der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Kyoto einen ersten Erfolg verbuchen: Auch künftig sind die größten Lebewesen der Erde in antarktischen Gewässern nicht sicher vor den Harpunen kommerzieller Waljäger. Der französische Antrag, südlich des 40. Breitengrades eine Schutzzone einzurichten, fand bei einer Vorabstimmung des Technischen Ausschusses der IWC nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit.

Japan und Norwegen hatten vor der Abstimmung große Geschütze aufgefahren. Im Falle einer Annahme wollten sie das IWC verlassen – wodurch die ganze Institution nach dem Austritt Islands vor einigen Jahren überflüssig werden würde. Außerdem ist es in Kyoto ein offenes Geheimnis, daß Japan die Stimmen von vier karibischen Ministaaten und Senegal für die am Freitag vorgesehene Schlußabstimmung regelrecht gekauft hat. Gestern hoben die Vertreter Schwedens, der Schweiz, Chinas, Chiles, Indiens und Südafrikas ihre Arme für die Japaner und Norweger; Deutschland, die USA, Großbritannien und zehn weitere Länder stimmten für die Schutzzone. Als Resolution hat der Vorschlag zwar noch die Chance, mit der Hälfte der Stimmen verabschiedet zu werden – die aber ist als solche nicht verbindlich und somit auch nichts wert.

Japan, das mit TV-Spots die eigene Bevölkerung davon überzeugen will, daß Walfleisch eine traditionelle Speise und gut gegen Asthma und Gedächtnisschwund ist, hat in den letzten Jahren sogar Beschlüsse der IWC umgangen. Unter dem Deckmantel der Forschung wurden auch die seit 1986 geschützten Großwalarten weiter gejagt; sie landeten schließlich in den Gourmetläden und -restaurants Tokios. Der Protest der IWC, die wissenschaftlichen Expeditionen entsprächen nicht den vorgeschriebenen Regeln, störte die Japaner wenig. Trotz des totalen kommerziellen Fangverbots für die elf Großwalarten wurden seit 1986 weltweit 14.300 Tiere geschlachtet, so eine Schätzung von Greenpeace.

Aber auch freiwillige Verpflichtungserklärungen der Japaner sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Obwohl Tokio der IWC 1990 zugesagt hatte, den Fang der zu den 77 Kleinarten zählenden Dall-Hafenschweinswalen um 30 Prozent zu reduzieren, geschah genau das Gegenteil. „Es gibt keine effektive staatliche Kontrolle dieser Jagd. Auch Schiffe ohne eine Erlaubnis haben Harpunen dabei, und in einigen Gegenden Japans nimmt das Abschlachten dieser Tiere sogar zu“, sagt Dave Currey, Chef der sehr sorgfältig recherchierenden Londoner Umweltschutzorganisation Environmental Investigation Agency (EIA). Vor Ort haben seine MitarbeiterInnen entdeckt, daß in vielen Häfen die Mengen der anlandenden Wale gar nicht registriert werden. Außerdem wußte kein Hafenmeister Bescheid, wie die Fangquote in seinem Gebiet war.

Die EIA schätzt, daß durch die Einschränkung der Großwaljagd durch das 1986 in Kraft getretene IWC-Moratorium etwa 165.000 Dall-Hafenschweinswale getötet wurden, deren Fleisch häufig unter das ihrer großen Brüder gemixt wird. – Aber der japanische Hunger auf Walfleisch zieht auch Importe an. Die EIA vermutet, daß es jedes Jahr tonnenweise aus Taiwan, Indonesien und von den Philippinen nach Japan geschmuggelt wird. Taiwan hatte zwar auf Druck der USA 1981 den kommerziellen Walfang aufgegeben, aber noch durchgesetzt, daß die Restbestände in den Kühlhäusern verkauft werden durften. Noch im letzten Jahr wurden mindestens 7 Tonnen für 126 Dollar pro Kilo nach Japan geschafft. „Es ist wohl kaum möglich, daß 13 Jahre altes Fleisch exportiert wird“, so die EIA.

Der Wissenschaftsausschuß der IWC konnte sich gestern noch nicht darauf einigen, ob sich die Walbestände in den letzten Jahren wieder erholt haben, so daß er den Fang einer festgelegten Menge empfehlen könne. Das schon 1982 beschlossene Moratorium hatte nämlich festgelegt, daß ein angeblich schonendes Walfangsystem (Revised Management Procedure – RMP) erarbeitet werden sollte. Mit Computersimulationen und zweifelhaften Zählungen, bei denen zufällig gesichtete Tiere einfach auf riesige Gebiete hochgerechnet werden, versuchen Japan und Norwegen nun nachzuweisen, daß die Populationen durch den Abschuß bestimmter Quoten nicht gefährdet sind. Das Moratorium schreibt vor, daß so lange ein generelles Fangverbot gelten solle, bis die 54 Prozent des ursprünglichen Bestands vor der industriellen Jagd erreicht würden.

UmweltschützerInnen halten es für völlig unmöglich, schon nach sieben Jahren die Auswirkungen des Fangverbots abzuschätzen. Denn Walweibchen bekommen nur alle paar Jahre ein einziges Junges. Außerdem gehen Experten davon aus, daß durch Menschen ausgelöste Umwelteinflüsse wie die Erwärmung der Erdatmosphäre und vor allem die Verschmutzung durch Chemikalien und nukleare Abfälle häufig zu Frühgeburten, Sterilität und einer Immunschwäche der Giganten führen. Außerdem verenden nach wie vor Tausende von Kleinwalen in den Treibnetzen der Fischer. Dramatisch sind nach Einschätzung der ForscherInnen auch die Auswirkungen des Ozonlochs auf die Wale. In der Nähe der Antarktis wurde bereits ein durchschnittlicher Rückgang des Planktons um 12 Prozent beobachtet, wovon Schalentiere – die Hauptnahrung vieler Bartwale – leben.

KonferenzteilnehmerInnen gehen davon aus, daß sich die Japaner und Norweger dieses Mal mit ihrem Antrag auf Aufhebung des Moratoriums nicht werden durchsetzen können. Die USA haben bereits ganz deutlich signalisiert, daß sie jede Aufweichung ablehnen wollen. Weniger eindeutig ist hingegen die Haltung der deutschen Delegation unter Norbert Klee-Schulte vom Landwirtschaftministerium. Obwohl der Bundestag einstimmig für eine Aufrechterhaltung der Fangverbote gestimmt hat, wollen die Vertreter in Kyoto die Norweger nicht brüskieren: Eine Lockerung sei „allenfalls für Populationen der Art Zwergwal denkbar“. Genau das wünschen die Norweger. Annette Jensen

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