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Yuppie-Sanierung vor der Tür

In Kreuzberg droht der Verkauf von drei Gewerbehöfen kleine und mittlere Betriebe zu verdrängen / Bezirk läßt Rechtsgutachten erstellen  ■ Von Severin Weiland

Kreuzberg. Auf einen Gast hatten die rund 50 Gewerbetreibenden des Engelbecken-, Elisabeth-, und Oranienhofs, die sich am Dienstag abend in der Seniorenfreizeitstätte am Kottbusser Tor versammelt hatten, mit Spannung gewartet: Peter Weber. Doch der Mann, der jüngst die drei traditionsreichen Gewerbehöfe im Kiez für 92 Millionen Mark vom derzeitigen Eigentümer Appendino gekauft hatte und daraus gestylte Dienstleistungszentren samt sogenannten Erlebnishöfen machen will, ließ sich nicht blicken. Statt dessen verlas Bezirksbürgermeister Peter Strieder (SPD) einen Brief des Immobilienmaklers, in dem dieser bündig mitteilte, „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ sei es ihm nicht möglich, zur Zukunft der Gewerbehöfe Stellung zu nehmen.

Den Gerüchten der letzten Tage, wonach er bereits wieder an einen Rückzug aus dem Millionendeal denke, gab Weber selbst in seinem Brief mit dem vieldeutigen Satz Nahrung: Die Gespräche mit Appendino seien noch nicht so weit abgeschlossen, „daß die Übergabe der Gewerbehöfe an uns gesichert ist“.

Doch auch ein eventueller Rücktritt Webers aus dem Kaufvertrag, so lautete Strieders eindringliche Botschaft, bringe keine „Entwarnung“. Notwendig seien statt dessen neue Konzepte, mit denen einerseits das Interesse des Eigentümers nach höheren Mieteinnahmen mit dem Wunsch der Betroffenen nach Planungssicherheit in Einklang gebracht werden könnte. Sein Vorschlag: Wenn möglich, sollten Betriebe zusammenrücken, könnte anderweitig genutztes Areal frei gemacht werden – etwa im Engelbeckenhof, wo derzeit rund 5.000 Quadratmeter von der Amerika-Gedenkbibliothek genutzt werden.

Im Gegenzug für diese neugewonnenen Flächen, auf denen der Eigentümer dann höhere Mieteinnahmen erzielen könnte, sollten laut Strieder in Verhandlungen mit dem Eigentümer langfristige Mietverträge erreicht werden – gekoppelt an einen Index. Ein Vorschlag, der bei manchen Anwesenden wegen seines Kompromißcharakters auf wenig Gegenliebe stieß. Doch ihrem Vorschlag, die Mieter sollten selbst die drei Höfe mit finanzieller Unterstützung des Landes kaufen, räumte Strieder wenig Chancen ein. Derzeit gebe es keine Wirtschaftsförderung für den Westteil der Stadt, und selbst für die Sanierung von Gewerbehöfen – außer für Umweltmaßnahmen – stünden derzeit keine Mittel vom Senat zur Verfügung.

Doch noch sind die Karten im Kreuzberger Immobilienakt nicht gänzlich ausgespielt. Denn bis zum 21. Mai muß der Bezirk entscheiden, ob er dem Verkauf des Oranienhofs (27 Millionen Mark) zustimmen wird. Bei den beiden anderen Höfen, an denen Weber Mehrheitsanteile erworben hat, bleiben dem Bezirk hingegen rechtlich die Hände gebunden. Weil aber Weber die drei Höfe als Paket erworben hat, genügt schon der Widerspruch des Bezirksamts im Falle des Oranienhofes, um den gesamten Kauf zu kippen – mit einem möglichen Wiedersehen der Kontrahenten vor Gericht.

Um den juristischen Spielraum auszuloten, wird derzeit ein unabhängiges Rechtsgutachten im Auftrag des Bezirksamtes erstellt, das am 18. Mai vorgelegt werden soll. Die Chancen stehen nicht schlecht, liegen doch alle drei Höfe in Sanierungsgebieten. Als „Indizien“, die gegen die Ziele einer behutsamen Stadterneuerung sprechen könnten, wertete denn auch die Baustadträtin Erika Romberg (Grüne/AL) am Dienstag abend neben erhöhten Mietpreisen (O-Ton: „Bei 13 Mark pro Quadratmeter fange ich schon an, nachdenklich zu werden.“) auch kurzfristige Mietverträge.

Bisher haben die meisten der rund 100 Betriebe in den drei Höfen mit Ein-Jahres-Verträgen leben müssen, darunter selbst lang eingesessene Betriebe. Die Preisvorstellungen von Weber, der Strieder gegenüber für den Elisabethhof von einem Mietpreis von 27 Mark pro Quadratmeter gesprochen hatte, können die meisten Kleingewerbetreibenden nicht bezahlen – so der allgemeine Tenor am Dienstag abend.

Der 43jährige Hans-Peter Pischel, dessen Elektroinstallationsbetrieb im Oranienhof liegt, kann davon ein Lied singen: „Bei mehr als 20 Mark pro Quadratmeter kann ich gleich schließen.“ Noch zahlt er in seinem Betrieb, der 13 Personen beschäftigt, rund neun Mark. „Mehr als zwölf Mark pro Quadratmeter sind einfach nicht drin“. Sonst, so sein Fazit, ergehe es ihm wie sechs ehemaligen Geschäftskunden, die wegen überhöhter Mieten bereits aufgeben mußten.

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