100.000 Blauhelme nach Bosnien?

Die „Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung“ fordert die Entsendung von mit schweren Waffen bewehrten mobilen UN-Einheiten nach Ex-Jugoslawien  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Umgehend sollten 100.000 Blauhelme mit schweren Waffen, begleitet von Fallschirmjägern und schnellen Eingreiftruppen mit Hubschraubern, die letzen Gebiete der Moslems in Bosnien- Herzegowina vor dem Zugriff der Serben und der serbischen Bosnier und auch der Kroaten schützen. Nur so könne der Völkermord an den Muslimen in Bosnien-Herzegowina noch beendet werden — „in einem dritten Weg zwischen militärischer Intervention mit Luftangriffen auf serbische Stellungen und der zynischen Untätigkeit vor allem der Europäer.“

Die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) griff gestern in die Debatte um eine angemessene Reaktion auf die fortgesetzte Expansionspolitik der Serben und der bosnischen Serben mit ihren mörderischen Folgen für die bosnischen Muslime ein: „Die Zeit drängt. Wenn die Staatengemeinschaft nicht tatenlos zusehen will, wie Menschen weiterhin ermordet und vertrieben werden und wie ein Staat von der Landkarte verschwindet, muß sie jetzt handeln.“

Einen Norman Schwarzkopf mit Blauhelm wollen die Experten der HSFK, Peter Schlotter und Hajo Schmidt, in Bosnien allerdings nicht haben. Der von der HSFK vorgeschlagene Einsatz von 100.000 Blauhelmen in Bosnien- Herzegowina solle ausschließlich dem Schutz der Menschen in den noch muslimischen Gebieten dienen — und so der serbischen Seite eine mögliche „Eskalationsentscheidung“ zuschieben. Das „Eskalationsrisiko“ schätzen Schlotter und Schmidt als „nicht gering“ ein. Doch bei einer entsprechenden Ausstattung der Blauhelme mit schweren Waffen und dem Einsatz mobiler Luft-Lande-Einheiten an eventuellen Eskalationspunkten, sei das Risiko eines Angriffs „serbischer und/oder kroatischer Soldaten/Freischärler“ auf die Truppen der UNO oder die Muslime zu minimieren. Eine Rückeroberung serbisch besetzter muslimischer Gebiete könne deshalb auch nicht Aufgabe dieser 100.000-Mann- Schutztruppe sein. – „Erweiterte humanitäre Intervention“ nennt die HSFK ihren Plan, der durch die UN-Resolution Nr.770 vom August 1992 abgedeckt sei. Nachdrücklich forderten die Friedensforscher auch die Einbindung russischer Truppen in das UN-Kontingent. Aus diplomatischen Erwägungen heraus, so glauben Schlotter und Schmidt, sei ein serbischer Angriff auf russische UN-Soldaten „wenig wahrscheinlich“. Dagegen könne eine bundesdeutsche Beteiligung nicht empfohlen werden: „Falls es tatsächlich zu einer Eskalation kommen sollte, könnte die serbische Seite die deutsche Beteiligung propagandistisch ausschlachten.“

Nachdrücklich wandten sich die Friedensforscher gegen die „abstrakten pazifistischen Positionen“ von Teilen der Linken und der Friedensbewegung in Deutschland in Sachen Bosnien-Herzegowina. Es sei mit Blick auch auf die Zukunft „politisch falsch“, eine Eroberungspolitik mit kriegerischen Mitteln, wie sie von den Serben betrieben werden, durch „Wegschauen“ letztlich zu akzeptieren. Den „Krieg ausbluten lassen“, sei dafür die zynische Bezeichnung der Militärs. Und bis die inzwischen beschlossenen „härteren Sanktionen“ gegen Rest-Jugoslawien greifen würden, seien auch noch die letzten Muslime in Bosnien ermordet oder vertrieben.