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„Wir wollen offen leben“

■ Nächtliche Lesben- und Schwulendemonstration nach Angriff auf Schwule im Ostertor

„Stoppt die Gewalt gegen Lesben und Schwule“ forderten 150 Demonstrations-TeilnehmerInnen Mittwoch nacht in der Bremer Innenstadt. Anlaß zu der spontanen Demonstration, die vom Rat & Tat-Zentrum für Homosexuelle über den Ostertorsteinweg zum Ziegenmarkt zog, war ein Überfall auf drei schwule Männer, der am Freitag vergangener Woche um zwei Uhr morgens stattgefunden hatte.

Nach Auskunft der Polizei befanden sich die drei Freunde auf dem Heimweg, als sie im Fehrfeld aus einer Gruppe von fünf Personen heraus angegriffen wurden. Die drei Männer und zwei Frauen wollten gerade einen Pkw besteigen, als sie die schwulen Männer sahen, die Hand in Hand durch die Straße gingen. Einer beleidigenden Pöbelei gegen die Schwulen folgte ein Angriff mit einem Billard-Queue und einem Messer. Nach Aussagen seines Freundes wurde einer der Überfallenen dabei an Lunge und Milz so schwer verletzt, daß in derselben Nacht eine Notoperation vorgenommen werden mußte. Das Opfer befindet sich noch auf der Intensiv-Station.

Noch in der Tatnacht konnten die Angreifer von der Polizei festgenommen werden. Gegen drei von ihnen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Nach Ansicht der Polizei lag keine Tötungsabsicht vor.

„Wir lassen uns den Spaß nicht verderben“, war einer der Demo- Slogans, die zeigten, wie die Stimmung in der lesbisch-schwulen Szene ist: Niemand will sich aus Angst vor Übergriffen verstecken. „Wir wollen weiter offen leben“, begründet Michael von der Jugendgruppe im Rat & Tat die Demo. Daß der Überfall ausgerechnet im Ostertor-Viertel stattfand, wo sich viele Lesben und Schwule bislang sicher fühlten, löste Betroffenheit aus. „Umso besser, daß so viele Leute zur Demo gekommen sind, die man sonst nicht so sieht. Wir müssen Zeichen setzen!“, so Michael.

„In der letzten Zeit haben Angriffe hier im Viertel extrem zugenommen“, beurteilt Ralf Rother, einer der drei Überfallenen, die Entwicklung. Er wohnt im Viertel: „Ich werde oft angepöbelt.“ Trotzdem will er weiterhin selbstbewußt auftreten: „Es ist ein Menschenrecht, Hand in Hand zu gehen.“ Ein heikler Aspekt in der Diskussion um Gewalt gegen Schwule und Lesben ist für ihn, daß er von drei südländischen Jugendlichen angegriffen wurde. „Zwischen verschiedenen Kulturen gibt es immer Reibungspunkte“, weiß er — „aber damit muß man umgehen. Ich stelle mich ja auch mit der Kerze an den Osterdeich — aber ich möchte natürlich selbst akzeptiert sein.“

Im Rat & Tat-Zentrum denkt man aufgrund verschiedener Vorkommnisse schon seit einiger Zeit über eine engere Zusammenarbeit mit ausländischen Gruppen nach. Denn, so Bernd Thiede, AIDS-Berater im Zentrum: „Es darf nicht sein, daß Minderheiten sich gegenseitig angreifen.“

Aber auch für die praktische Bewältigung eines Notfalls gibt es im Zentrum rechtlichen Rat: denn ohne eine Vollmacht darf frau die Liebste auf der Intensivstation nicht besuchen.

Eva Rhode

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