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Kriegsdienstverweigerer wollen sich vernetzen

■ Zivildienstleistende fühlen sich als soziale Manövriermasse

Frankfurt/Main (taz) – Osman Ö. lebt illegal in Frankfurt. Er ist Deserteur, als Soldat aus einer Spezialeinheit der türkischen Armee aus Nordzypern geflohen. Trotzdem kam er gestern mittag zu einer Pressekonferenz der KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) in das Hotel Intercity im Bahnhofsviertel. Er berichtete, daß diese Truppe ein Kernstück der Modernisierung der türkischen Armee sein solle. Außerdem hegt er den Verdacht, daß theoretischer Unterricht und die Ausbildung an leichten Waffen die Soldaten dort befähigen solle, später für den Geheimdienst zu arbeiten. Er mußte zum Beispiel lernen, wie Wohnungen gestürmt werden. Ö. lehnt den Kriegsdienst seither ab. Das hat er mit den rund 300 TürkInnen gemein, die sich seit der Gründungsversammlung im Dezember 1992 in Izmir organisiert haben. Es sind inzwischen auch kleine Gruppen in Ankara und Istanbul entstanden.

Die Türkin Funda Tural, die nur unter Schwierigkeiten aus ihrer Heimat ausreisen durfte, schilderte die Situation der türkischen Kriegsdienstverweigerer als gefährlich. Nur zwölf von ihnen hätten es bisher gewagt, öffentlich aufzutreten. Vier Mitglieder seien inzwischen angeklagt worden, darunter der Chefredakteur ihrer kleinen Zeitung.

Aziz Kosgin, der türkische Verweigerer in Deutschland unterstützt, weiß bisher nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist. Aber seit es eine Organisation gebe, berichtet er, bekomme er immer mehr Anrufe von Leuten, die sich in der Türkei versteckt halten und Ratschläge wollen. Er forderte von der Bundesregierung, sie möge auf die Türkei einwirken, endlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zuzulassen. Deserteure müssen dort noch immer mit Strafen bis zu lebenslänglicher Haft rechnen. Auch Aufrufe dazu sind strafbar. Die Möglichkeit des Freikaufs vom Militärdienst ist für viele junge Männer viel zu teuer. Die Summe ist zwar seit 1979 nach und nach von über 20.000 auf inzwischen 10.000 Mark gesenkt worden, aber eigentlich immer nur dazu bestimmt gewesen, dem türkischen Staat die Kasse mit den Devisen im Ausland arbeitender Türken zu füllen: „Wir waren die Milchkühe.“

Kosgin und Tural warnten auch davor, daß die neue Modernisierungskampagne in der türkischen Armee, zusätzlich zu den derzeit 50 weltweiten Kriegen, eine Vorstufe neuer Krisen sein könne. Die Türkei habe, auch wegen der ähnlichen Kultur und Sprache und der Ölquellen, möglicherweise durchaus Interesse an Interventionen im Nordirak, im Kaukasus und auf dem Balkan.

Christian Axnick vom Landesverband Hessen stellte aus Anlaß des heutigen „Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerer“ neue Initiativen der Vernetzung vor. Bei einem Treffen am vergangenen Wochenende tauschten TeilnehmerInnen aus Österreich, Ungarn und Deutschland ihre Erfahrungen aus, wie Deserteuren aus Ex-Jugoslawien geholfen werden könne, das Land zu verlassen und Unterbringungsmöglichkeiten zu finden. Es gelte außerdem auch „die extrem gefährdete und noch junge Bewegung in der Türkei zu unterstützen“. Deshalb ist geplant, dort noch in diesem Jahr zu einem internationalen Treffen einzuladen. Matthias Kittmann von der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden nannte die Vernetzung einen Schwerpunkt der künftigen Aktionen: „Wir wollen das Zusammenrücken in Europa nicht den Militärs überlassen.“ Er setzte sich für das Recht auf Totalverweigerung in der Bundesrepublik ein. Der Zivildienst habe nur dazu beigetragen, den Pflegenotstand zu vergrößern, und diene als Vorwand dafür, daß die Wehrpflicht nicht abgeschafft werden könne: „Wir sind Lückenbüßer und Billigstarbeitskräfte.“ Heide Platen

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