: „Tourismus ist wie eine Blume“
■ Ibrahim Mohammed Hassan ist in Mut, der Hauptstadt von Dachla, geboren und soll nun die touristische Entwicklung der Oase kontrollieren
taz: Luxor und Assuan sind überlaufen. Zu euch kommen die Menschen, weil sie Ruhe und Erholung ohne „Sightseeing-Streß“ suchen. Ihr nennt das „Umwelttourismus“. Könnt ihr verhindern, daß die Landschaft von Dachla durch die vielen TouristInnen zerstört wird?
Ibrahim Mohammed Hassan: Die Menschen kommen, ob wir wollen oder nicht. Wir bauen schon wieder neue Hotels. Natürlich weiß ich, daß unsere Kultur und die Landschaft in Gefahr sind. Aber das Gebiet hier hat 45,8 Prozent der Fläche von Ägypten. Da verläuft sich viel. Hier bei uns sind außerdem die traditionellen Werte noch stärker ausgeprägt als anderswo. Im Touristengeschäft arbeiten auch nur Einheimische. Wenn du an einem Ort geboren bist, dann paßt du besser auf ihn auf. Die Natur ist unser Kapital.
Baharia und Farafra, wo es keine Touristenbehörde gibt, zeigen aber, wie sehr Geld gewachsene Strukturen zerstören kann. Was wollt ihr anders machen?
Wir gehen es langsam an. Es sind ja nicht nur die TouristInnen, die unsere Tradition gefährden. Auch das Fernsehen spielt eine Rolle. Aber wir sagen unseren Gästen offen, daß sie unsere Sitten respektieren sollen. Frauen sollten zum Beispiel nicht im Bikini und tagsüber in der Nähe der Felder baden. Unsere Frauen gehen erst abends baden, wenn die Männer von der Feldarbeit zurück sind. Das ist keine Schikane, sondern einfach unsere Religion.
Außerdem helfen wir unseren Handwerkern. Deren Produkte werden gesammelt und in staatlichen Stellen verkauft. Das verhindert Wildwuchs und sorgt für gerechte Aufteilung des Gewinns. Dabei erzählen wir ihnen immer wieder, daß die Fremden nicht nur zum Geld ausgeben kommen, sondern auch etwas über unsere Kultur lernen wollen.
In vielen Ländern der sogenannten „Dritten Welt“ kümmern sich die TouristInnen nicht besonders um die Kultur. Werden eure Bemühungen respektiert?
Ja. Es kommen aber auch fast nur Menschen hierher, die vorher schon einiges über Dachla gehört haben. Der Weg ist weit, und jeder kann nachlesen, daß es hier keine Luxushotels gibt. Deshalb kommen keine reichen Leute. Unsere Gäste wollen sich erholen, lernen und helfen. Hier ist Entspannung angesagt, kein Sightseeing. Die meisten sind Traveller und leben mit den Einheimischen zusammen. Im übrigen gibt es noch viele, die freiwillig und ohne Lohn TouristInnen durch die Oase führen.
Überall wird gebaut. Bald ist das zweite Touristendorf von Hasan Fahty fertig. Glaubst du, ihr könnt das alles bewahren, wenn noch mehr Menschen kommen?
Ich hoffe. Je mehr Menschen kommen, desto mehr Personal stellen wir ein; übrigens alle von hier. Die überwachen dann die Preise und geben Informationen. Jeder Hotelbesitzer muß eine Preisliste aushängen. In Dachla gibt es nur feste Preise. Wenn eine TouristIn sich schlecht behandelt fühlt, kann sie das melden. Wir korrigieren dann sofort. Tourismus ist wie eine Blume; sie wächst und wächst, muß aber auch gepflegt werden, damit sie nicht kaputtgeht. Wir tun unser Bestes.
Könnte Dachla ein Beispiel für andere Länder werden, wo der Tourismus wuchert und zerstört?
Unsere Regierung versucht ihr Bestes, denn Tourismus ist für Ägypten die wichtigste Devisenquelle. Wir tauschen uns aus mit anderen Ländern, geben auch manchmal Tips. Unsere Religion, der Islam, sagt, alle Menschen sind wie Gäste und Freunde zu behandeln. So verhält sich die gesamte ägyptische Nation – von einigen Idioten mal abgesehen. Wenn die Touristen wirklich bereit sind, unser Volk zu verstehen, werden sie auch mehr über sich verstehen, wenn sie wieder zu Hause sind. Andere Länder haben da einiges versäumt. Das Interview führte Arno Köster
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen