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Die Sorgen eines reichen Erben

Wer viel Geld erbt, kann es nicht immer gebrauchen  ■ Von Bernd Müllender

Arno Birmens (Name von der Redaktion geändert) aus Essen geht es finanziell nicht schlecht. Seit zehn Jahren arbeitet er als selbständiger Fotograf; die Honorare sind zwar selten üppig, kommen aber regelmäßig. Und weil Freiberufler dem Finanzamt gegenüber reichlich Freiheiten haben, ist vieles brutto für netto.

„Ich kann nicht klagen“, sagt der 38jährige, „wenn nur meine Mutter nicht wäre.“ Das Problem: Frau Mama weiß nicht, wohin mit ihrem Geld. Geld aus Wirtschaftswunderzeiten, als Arnos verstorbener Vater mit seiner Fabrik so manche Mark machte, die heute Mutters Konten und Bankdepots füllt. Und Einzelkind Arno einmal erben soll.

„Ich kann es nicht mehr hören, dieses mütterlich-fürsorgliche ,Ich- tu-das-doch-alles-nur-für-Dich‘. Da wird mir manchmal richtig schlecht.“

FreundInnen, sagt Arno, schüttelten den Kopf. Es sei doch toll, wenn man so sorgenfrei einmal einen Geldsegen erwarten könne. „Denen sage ich: Ich will mein Leben leben, was prima klappt, und mein eigenes Geld verdienen. So wie alle. Und mich nicht mit Anlageberatern herumschlagen, mir Vermögenssteuervermeidungstricks erarbeiten oder mich mit Wertpapierbergen oder Immobilien beschäftigen.“ Und, so Arno, man müsse ja sehen, woher das Geld stammt. „Dafür haben sich frühere Angestellte meines Vaters krumm malocht, und die Mieter im Haus meiner Eltern haben sich womöglich die Butter vom Brot gespart.“ Irgendwie sei man doch „eine Art Vulgärmarxist und kann sein Gewissen nicht abschalten.“

Was tun, wenn es soweit ist? „Das Erbe ausschlagen würde meine Mutter nicht verkraften.“ Und andererseits: „Dann käme ich mir auch blöd' vor. Nachher greifen es die ohnehin reichen Verwandten ab, womöglich noch die Katholische Kirche oder gleich der Staat, um Himmels Willen.“ Irgendwem spenden, verschenken, eine Stiftung für irgendwas gründen? „Ich hab' keine Ahnung.“ Steigender Konsum, „dieses Kaufenkaufenkaufen“ sei ja wohl auch nicht die Lösung. Er sei in einer „perversen Situation“, klagt Arno: „Da streite ich mit dem Finanzamt, wie jeder andere auch, hier und da um hundert Mark Einkommenssteuer oder laufe irgendeinem kleinen Fotohonorar hinterher, und weiß gleichzeitig, woanders sind für mich schon die Bündel gestapelt.“

„Schleichend“, wie er sagt, wird Arno schon heute ins Schlepptau der Finanzwelt genommen. Für Mutters Bankkonten sei er längst zeichnungsbefugt – falls mal was sei, sage die Mutter dazu. „Ich kann mir also, wenn ich wollte, eben mal hunderttausend Mark holen.“ Und vor ein paar Jahren habe ihn der Steuerberater „so lange bequatscht, bis ich einverstanden war, daß meine Mutter mir 90.000 Mark vorab schenkt, wegen der Steuer. Und da waren sie nun. Soll ich die Kohle zur Bank schleppen? Auf keinen Fall. Keine Rüstung und Autobahnen mit meinem Geld. Also habe ich es hier und da für billige oder gar keine Zinsen verliehen. Und schon machte ein Projekt pleite, ziemlich link. 5.000 Mark waren erst mal weg.“

Ohne Geld lebe es sich deutlich sorgenfreier, sagt Arno mit Entschiedenheit. Und im Privatleben gibt es heute schon „kleine, gemeine Momente“: Wenn da mal Streit mit der Partnerin sei, „ertappe ich mich manchmal bei dem Gedanken: Ist sie nur wegen des Erbes mit dir zusammen?“ Was verständlicherweise „ein absolutes Scheißgefühl“ ist.

„Du weißt nie, wem du was über deinen ,Reichtum‘ erzählen sollst. Verschweigst du es, fühlst du dich unehrlich, als Verstecker. Weiß einer Bescheid und du verleihst ihm mal deinen Wagen, hast du ein schlechtes Gewissen, wegen 20 Mark Spritgeld nachzufragen.“ Und später – Freunden was schenken? „Da mache ich mir dann ständig einen Kopf – wem was, und wer ist dann beleidigt, und wer will meine Freundschaft nur wegen Geld? Ekelhaft schon der Gedanke.“

Zuletzt, erzählt Arno, sei er „als familiärer Geldkurier“ tätig gewesen. Fast 150.000 Mark in bar („nur große Scheine, druckfrisch, hab' ich am Bankschalter wie Altpapier geknüllt und in die Hosentasche gestopft, die haben vielleicht blöd geguckt“) hat Arno zunächst bei sich zu Hause für ein paar Tage zwischenlagern müssen („in den Gesammelten Werken von Marx und Engels versteckt“) und dann ging es damit nach Luxemburg: Schwarzgelddepot, Couponpapiere, Investmentfonds, Steuervermeidung. „Grauenvoll. Was für ein Trip in diesen unglaublichen Protzbau der Deutschen Bank dort.“ Aber es sei „so eine Art Weihnachtsgeschenk für die Mutter“ gewesen, „ihr halt zum Gefallen“.

Eigentlich zu Arnos eigenem Gefallen. Als vorzeitiges Geschenk für irgendein späteres Weihnachten. Und natürlich steuerfrei – damit es noch mehr werde.

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