: Leichen und ersoffene Katzen
■ Erika Plamanns unheimliche Stoffplastiken in der GaDeWe
Eine große Bedrückung geht von den Stoffplastiken aus, die Erika Plamann in der Waller GaDeWe (Galerie des Westens) zeigt. Unter scheinbar feuchten Leinentüchern ist etwas versteckt, das vielleicht einmal lebendig war, jetzt aber geknebelt, niedergedrückt, und zusammengepreßt auf keinen Fall mehr atmen kann.
Beim näheren Hinsehen erkennt man Schimmelpilze und Aschenspuren auf dem leinernden Stoff, der teilweise angefressen ist, vermodert, verottet und mit Dreck- und Strohteilen beschmutzt. Mit Grausen möchte man sich von diesen Moorleichen oder verwesenden Ophelien abwenden, den Assoziationen von ertrunkenden schwangeren Müttern, ersäuften Katzen, vergrabenen Leichenteilen ausweichen. Aber etwas hält einen zurück.
Es eine große Ernsthaftigkeit, die sich in diesen mit Leim so starr gemachten Stoffplastiken ausdrückt, eine Ernsthaftigkeit, die den ersten Verdacht, es handle sich hier um ein bloßes Horror- Happening, entschieden widerlegt. Die niedergepreßten, organischen Strukturen haben um ihr Leben gekämpft und sind von einer stärkeren Macht besiegt worden. Die Plastiken sind Denkmäler dieses Kampfes. Und bei aller Widerwärtigkeit, die unweigerlich von den zerstörten Überresten ausgeht, sie haben auch etwas Heroisches und teilweise sogar Rührendes.
Erika Plamann hat kontrollierte Prozesse von „künstlicher Verrottung“ eingeleitet, indem sie die Leinenstücke unter und über Ton und anderes Material legte, regelmäßig wässerte und teilweise vergrub. Knochenleim, sparsame Farben, Sand kamen hinzu. Die Stoffplastiken sind fest wie Gipsabdrücke.
Die beiden winzigen, vielleicht menschlichen Lebewesen, eingepuppt und aneinandergedrängt; die zusammengekrumpelte Gestalt, im Moment ihrer letzten krampfhaften Bewegung eingefangen, oder Strukturen, die an auffliegende und niedergedrückte Insekten erinnern — sie stehen für den Kampf um's Dasein, den wir schließlich alle irgendwann verlieren werden.
Cornelia Kurth
Noch bis zum 8.6., Reuterstraße 9-17
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