■ Bundesverdienstkreuz für „Bücherpastor“ Martin Weskott?: Bücher vor der Vernichtung gerettet
Katlenburg (taz) – Der als „Bücherpastor“ bundesweit bekanntgewordene Pfarrer Martin Weskott aus Katlenburg im Landkreis Northeim soll wegen seines Engagements gegen die massenhafte Büchervernichtung in Ostdeutschland mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Einen entsprechenden Vorschlag hat der Erfurter Historiker Professor Siegfried Wolf dem Bundespräsidialamt unterbreitet. Durch seine Bücherrückholaktion habe Weskott versucht, „Schaden von Deutschland abzuwenden“ und sich „um unser Land verdient gemacht.“
Zusammen mit Mitarbeitern der evangelischen Katlenburger St.-Johannes-Kirchengemeinde hat Weskott in den vergangenen zwei Jahren rund 300.000 Bücher von ostdeutschen Müllkippen eingesammelt, die in den Wirren von Wende und Wiedervereinigung von Verlagen oder Buchläden weggeworfen worden waren. Im Rahmen von Basaren und Büchertischen werden die Bände jeden Sonntag gegen eine Spende für „Brot für die Welt“ an Interessierte abgegeben. Darüber hinaus hat Weskott auch zahlreiche deutschsprachige Bibliotheken im In- und Ausland mit der vom Müll geretteten Literatur beliefert.
Wolf sah in diesen Aktivitäten „eine bemerkenswerte Tat“. „Wer in Deutschland Bücher vor der Vernichtung rettet und dabei weder Mühen scheut noch sich vom Zeitgeist beeinflussen läßt, der auf die markt- und politikorientierte Entsorgung einer ganzen Literaturlandschaft gerichtet ist, der hat sich um die Gestaltung der deutschen Einheit verdient gemacht“, sagte der Historiker. Wolf, der sich selbst als „abgewickelten Hochschullehrer“ bezeichnet und gegenwärtig als Lehrbeauftragter an verschiedenen westdeutschen Universitäten beschäftigt ist, hatte von Weskotts Aktivitäten aus der Presse erfahren.
Das Bundespräsidialamt hat den Vorschlag an die nach den Vorschriften des Ordensstatutes formell vorschlagsberechtigte Staatskanzlei in Hannover übersandt. Zur Zeit liegt der Schriftwechsel bei der Bezirksregierung in Braunschweig. Ein Sprecher der Behörde bestätigte den Vorgang, wollte „aus Gründen des Datenschutzes“ inhaltlich aber nicht Stellung nehmen. Mit einer Entscheidung über die Annahme des Vorschlags sei „in etwa einem halben Jahr“ zu rechnen.
Weskott selbst sagte, „im Sinne der Sache“ sei die Initiative Wolfs positiv zu werten. Er selber sei allerdings nicht auf die Idee gekommen, sich für eine Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz ins Gespräch zu bringen. Zu Jahresbeginn war der Pastor bereits mit einem Preis der in Göttingen ansässigen „Literarischen Gesellschaft“ ausgezeichnet worden. Reimar Paul
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