: Karadžić will Gorbatschow
■ Ex-Präsident als Kriegsschlichter? / Referendum der bosnischen Serben
Pale (AP/AFP) – Mit ersten Ergebnissen wird zwar erst heute abend gerechnet – doch schon während der Volksabstimmung der bosnischen Serben an diesem Wochenende zeichnete sich eine klare Mehrheit gegen die Annahme des Vance-Owen-Friedensplans ab. Bei Umfragen sprach sich so nicht nur in Pale, dem Sitz des „Parlaments“ der selbsternannten Republik Srpska, sondern auch in der an der bosnisch-serbischen Grenze gelegenen Stadt Zvornik die Mehrheit der Wähler gegen die vorgesehene Aufteilung Bosniens in zehn Provinzen aus. Der Chef der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, erklärte, er erwarte eine Ablehnung des Friedensplans. Da die Serben jedoch „nicht gegen den Frieden“ seien, würde er den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow bitten, einen neuen Kompromißvorschlag auszuarbeiten.
Neben ihrer Meinung zum Genfer Friedensplan wurden die Wähler gefragt, ob sie die Gründung eines Staates der bosnischen Serben befürworten, der das Recht haben soll, sich mit der Republik Serbien und den serbisch besiedelten Gebieten in Kroatien zu vereinigen. Sowohl bei der Organisation als auch bei der Durchführung der Abstimmung kam es nach Berichten von Beobachtern zu zahlreichen „Unregelmäßigkeiten“: Unklar war, wer Stimmrecht besaß, Wahlurnen fehlten, mehrere Wähler gaben auch für Abwesende einen Wahlzettel ab.
„Begleitet“ wurde das Referendum von Kämpfen um den „serbischen Korridor“ durch Nordbosnien, weiter gekämpft wurde auch in der Herzegowina. Beide Seiten– bosnische und kroatische Truppen – warfen sich vor, neue Angriffe auf die Gebietshauptstadt Mostar eröffnet zu haben.
Der russische Außenminister Kosyrew kündigte am Sonntag eine neue Resolution zur Durchsetzung des Vance-Owen-Plans an. Sie soll bei der Sitzung des UNO-Sicherheitsrates auf Außenministerebene am kommenden Freitag in New York erörtert werden, sagte Kosyrew am Sonntag nach einem Treffen mit den Vermittlern im Jugoslawien-Konflikt, Lord Owen und Thorwald Stoltenberg, in Moskau. „Moskau wird eine aktive Rolle, besonders mit materieller Unterstützung, übernehmen. Wir müssen nicht warten, bis der letzte bosnische Kämpfer den Friedensplan gebilligt hat.
Die französische Regierung hat dem UNO-Sicherheitsrat einen Vorschlag zum Schutz der bosnischen Muslime unterbreitet. Dieser sieht die Entsendung von Blauhelmen in die sechs UN-Schutzzonen des Landes vor. Die Optionen reichen von einer „symbolischen Abschreckungstruppe“ von 8.600 Blauhelmen bis zu einer Streitmacht von 40.000 Mann, die in den Zonen Schlüsselpositionen besetzen und bei einem Angriff „zurückschlagen“ sollen. In Washington demonstrierten am Wochenende 15.000 Menschen, die meisten von ihnen Moslems, für ein härteres Vorgehen der USA in Bosnien.
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