piwik no script img

Altbauten: Bonn will Mieten freigeben

■ Aufhebung des besonderen West-Mieterschutzes geplant Mieterhöhung bis 20 Prozent droht / Bausenator warnt CDU

Berlin. Mieterhöhungen bis zu 20 Prozent noch in diesem Jahr drohen im Westberliner Altbaubestand den Wohnungsinhabern. Das zumindest befürchtet Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) für den Fall, daß die jüngste mietenpolitische Initiative der Bonner Regierungskoalition Erfolg hat. CDU und FDP haben nach Nagels Information im Rechtsausschuß des Bundestages einen Antrag eingebracht, wonach die bisher geltenden Schutzbestimmungen für die 400.000 Altbauwohnungen im Westteil der Stadt noch vor der Sommerpause wegfallen sollen.

Bislang galt für diesen Bestand eine Kappungsgrenze von fünf Prozent pro Jahr bei bestehenden Mietverhältnissen. Diese im „Gesetz zur dauerhaften Verbesserung der Wohnungssituation in Berlin“ bis Ende 1994 festgeschriebene Regelung soll im Rahmen des 4. Mietrechtsänderungsgesetzes entfallen. An ihre Stelle tritt die dann bundeseinheitlich geltende Vorschrift. Sie sieht eine Kappungsgrenze von 30 Prozent innerhalb von drei Jahren vor. Bei einer Nettokaltmiete von mehr als acht Mark pro Quadratmeter beträgt dieser Satz 20 Prozent.

Nagel bezeichnete dieses Vorhaben als „wohnungspolitischen Crashkurs gegenüber den Westberliner Altbaumietern“. Er befürchtet, daß die sofort mögliche überproportionale Mietsteigerung mittelfristig auch auf dem Ostberliner Wohnungsmarkt preistreibend wirkt. Nagel forderte seine Koalitionspartner von der CDU auf, ihren Einfluß auf ihre Bonner Parteifreunde geltend zu machen, um die bestehende Regelung zu erhalten.

Der Berliner Mieterbund sieht in dem geplanten Gesetzesvorhaben „eine Demontage durch die Hintertür“. Wie Geschäftsführer Vetter erklärte, sei während der bereits über ein Jahr laufenden Beratungen zum 4. Änderungsgesetz nie die Rede davon gewesen, die besondere Kappungsgrenze in Westberlin zu streichen. Vetter befürchtet einen Mietschub. Dagegen helfe nur der Druck auf den Gesetzgeber. Der scheint sich seines Vorhabens jedoch noch gar nicht so sicher zu sein. Der wohnungsbaupolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Walter Hitschler, sieht „noch nicht so ganz, warum man sich da eine Menge Ärger an den Hals holen soll“. Er betonte gestern, daß es bislang noch keinen Antrag der Regierungskoalition gebe, sondern lediglich entsprechende „Überlegungen“. Sollten diese Überlegungen tatsächlich in einen Gesetzantrag münden, könnte der Bundestag bereits übernächste Woche das Änderungsgesetz beschließen. Die einzige Möglichkeit, dagegen vorzugehen, wäre dann im Bundesrat gegeben. Dort haben die SPD-regierten Länder die Mehrheit. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen