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Verständnis für Dänemarks Absage ist gewachsen

■ Das dänische „Nein“ vom Juni 92 und das europaweit gewachsene Mißtrauen gegen „Maastricht“ haben auch die anderen Regierungen nachdenklicher gemacht

Vor einem Jahr schlug das dänische „Nein“ zu der „immer engeren Union der Völker Europas“ noch ein wie eine Bombe. Politiker in beinahe allen anderen EG- Hauptstädten drohten ultimativ: „Notfalls können wir auch ohne Dänemark.“ Von einer „Gemeinschaft der Elf“ war die Rede und selbst von einer Reduzierung der EG auf den ursprünglichen harten Kern der sechs Gründerländer, Frankreich, Italien, die Benelux- Staaten und die Bundesrepublik. An eine Neuverhandlung der Verträge jedoch sei überhaupt nicht zu denken, so der damalige Tenor.

Inzwischen sind moderatere Töne eingekehrt. Das zeichnete sich schon beim Gipfel von Birmingham im Herbst 92 ab, dessen alleiniges Ziel es war, die Gemüter zu beruhigen. Als Antwort auf das wachsende Mißtrauen gegenüber dem undemokratischen und bürgerfernen Moloch in Brüssel brachten damals die EG-BürokratInnen so schwergängige Begriffe wie Subsidiarität und Transparenz in Umlauf. Seither halten die Minister der Mitgliedsländer einen kleinen Teil ihrer Beratungen vor laufenden Fernsehkameras ab. Und seither steht auch fest, daß alle politischen Entscheidungen in der EG so weit unten gefällt werden sollen, wie irgend möglich.

Beim Dezember-Gipfel in Edinburgh einigten sich die Regierungschefs dann auf Sonderklauseln für Dänemark, die den Weg zu dem heutigen zweiten Referendum ebneten. Unter anderem hielten sie fest, daß die Unionsbürgerschaft kein Anrecht auf Einbürgerung in Dänemark schafft. Daß Dänemark weder an der Endstufe der EG-Währungsunion, noch an der gemeinsamen Verteidigungspolitik teilnehmen muß. Daß eine Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik sowie bei der Übertragung von staatlichen Hoheitsrechten auf die Union nur dann zustande kommt, wenn Einstimmigkeit in der EG vorliegt. Und daß die einzelnen Staaten das Recht haben, bei der Arbeits- und Sozialpolitik sowie bei der Verbraucherpolitik und im Umweltschutz über das EG-Niveau hinausgehende strengere Schutzmaßnahmen zu erlassen. Die Regierungschefs vereinbarten auch, daß Dänemark jederzeit auf einzelne Teile der Sonderregelungen verzichten und dennoch Vollmitglied der Union werden könne.

Seither hat sich die politische Landkarte EG-Europas weiter zu ungunsten der Maastrichter Verträge verändert. Die britische Regierung hat mehrere wichtige europapolitische Abstimmungen durch die gemeinsame Opposition von Labour-Partei und konservativen Eurosceptics verloren. Die ursprünglich direkt nach dem heutigen Referendum in Dänemark geplante Ratifizierung in London verzögert sich voraussichtlich noch bis zum Herbst, weil jetzt Gerichte mit Einzelaspekten der Verträge befaßt sind. In Frankreich, das beim Maastricht-Referendum mit einem knappen „Ja“ gestimmt hatte, sind zwischenzeitlich die Konservativen an die Regierung gekommen, von denen ein erheblicher Teil gegen die Europäische Union votiert hatte. Und in Deutschland ist zwar das parlamentarische Verfahren über die Maastrichter Verträge positiv abgeschlossen, doch ihre Unterschrift wird vom Bundesverfassungsgericht blockiert; in Karlsruhe sind mehrere Klagen von einer Gruppe grüner Europaparlamentarier und von einem konservativen ehemaligen Kommissionsmitarbeiter anhängig. Die Bundesregierung, die seinerzeit ihre EG- Partner zu einer schnellen Ratifizierung der Maastrichter Verträge gedrängt hatte, ist damit selbst zu einem Schlußlicht geworden.

Angesichts derart weit verbreiteter Hemmnisse ist das Verständnis gegenüber Dänemark gewachsen. Niemand droht dem Land mehr mit einem Rausschmiß. Im Gegenteil: Mit einem „Nein“ wäre die EG zu einer Standortneubestimmung gezwungen, die sich viele wünschen. Die Alternativen heißen weiterhin „Gemeinschaft der zwei Geschwindigkeiten“ oder Neuverhandlung der Verträge. Dorothea Hahn

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