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Der schwere Weg des Theo Waigel

■ Zwei Namen spielen bei der Nachfolge von Amigo Streibl noch eine Rolle / Die bayerische CSU versteht darunter die Namen „Edmund“ und „Stoiber“

München (taz) – Alle führten den Satz im Munde, den auch Bundesfinanzminister Theo Waigel benutzte. Vor der gestrigen Sitzung der Parteioberen gefragt, ob er nun wirklich gegen Bayerns Innenminister Edmund Stoiber im Streit um die Nachfolge für den scheidenden Ministerpräsidenten Max Streibl antreten will, erklärte Waigel: „Jedermann weiß, daß zwei Namen im Gespräch sind.“ Was Waigel nicht wissen will, ist, daß die Mehrheit in seiner Partei mit beiden Namen schlicht „Edmund und Stoiber“ assoziiert. Waigels Karriere senkt sich zum Sturzflug.

Keiner will, daß irgend jemand „beschädigt“ wird. Das erklärten nahezu einhellig alle CSU-Vertreter, die sich gestern in München zu einer gemeinsamen Sitzung von Parteipräsidium, Bezirksvorständen und geschäftsführendem Vorstand der Landtagsfraktion trafen. Nervös waren alle, gleich ob sie den Rechtsausleger Stoiber oder den neuerdings einer liberaleren CSU-Strömung zugerechneten Waigel favorisierten. Ein sichtlich angespannter Gerold Tandler fertigte Zuschauer ab, die nur wissen wollten, ob und wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

Statements der verschiedenen Christsozialen gab es nur am Vormittag vor dem Tagungsort der Landesleitung — anschließend wurde abgeschottet von den zahlreichen Journalisten getagt. Erwähnenswert vielleicht, daß den CSU-Oberen gegen halb eins Erdbeeren zum Nachtisch gereicht wurden.

Erst am Nachmittag erbarmte sich CSU-Generalsekretär Erwin Huber der Journalisten. Ihm zufolge wird der am Freitag tagende Parteivorstand sich zu einer personellen Empfehlung für die am Mittwoch kommender Woche stattfindende Landtagsfraktionssitzung durchringen. Dort läge das „letzte Entscheidungsrecht“ über die Nominierung. Heute aber: keine Abstimmung, kein Ergebnis.

Daran, daß sich Waigel gegen Strauß-Zögling Stoiber doch noch durchsetzen könnte, glaubt keiner mehr so recht. Im einflußreichen Bezirksverband von Oberbayern hat sich der bayerische Innenminister gegen den Bonner Schuldenminister klar durchgesetzt. Der Münchner Verband votierte Sonntag abend bei einer geheimen Sitzung in der Rathausfraktion mit vierzehn gegen eine Stimme für eine Kandidatur Stoibers zum Ministerpräsidenten.

Als „Favoriten“ wollte Stoiber sich nicht bezeichnen lassen. Er benutze dafür andere Worte: „Ich sehe aber auch, daß in der Partei die größere Mehrheit für eine Lösung mit Waigel in Bonn und Stoiber in München ist.“ Große Hoffnung macht sich auch der Staatssekretär in Stoibers Innenministerium, Günter Beckstein. Bei einer Beförderung seines Chefs könnte er auf dessen Amtssessel nachrücken. Er blamierte am Wochenende Waigel, indem er im Nürnberger CSU-Verband über die Frage der Nominierung abstimmen ließ. Das Ergebnis war für Waigel verheerend. Den Parteichef demontiert, wertvolles Porzellan zerschlagen, wie Fraktionschef Alois Glück scharf monierte? Beckstein: „Ich glaube nicht.“ Ähnlich wie die Partei ist auch deren Jugend, die Junge Union (JU), in Bayern gespalten.

Allen standen die Bemühungen im Gesicht geschrieben, Waigels anstehenden Sturz wenigstens ein wenig abzufedern. Stoiber stufte das gestrige Treffen als „intensives inoffizielles Gespräch“ ein, der stellvertretende Fraktionschef Hans Spitzner behauptete nicht als einziger, „daß wir sowohl Stoiber als auch Waigel brauchen“. Bayerns Finanzminister von Waldenfels suchte einen Weg, „daß wir keinen von beiden beschädigen“. Mindestens im Falle Waigels funktioniert das nicht. Wenn er sich, so wie es aussieht, mit dem ungeliebten Bonner Amt begnügen und nach Bonn zurückgeschickt wird, kehrt er als der Unterlegene ins Kohlsche Kabinett zurück. Drastisch formulierte ein Teilnehmer, der beim Münchner Geheimtreffen dabei war: „Man begreift nicht, weshalb Theo Waigel sehenden Auges in den Selbstmord rennt.“ Wolfgang Gast

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