: Klassenkampf an der Börse: 100.000 DM für Steinkühler
■ Nutzte IG-Metall-Chef Insiderinformationen?
Berlin (taz) – Ist Deutschlands mächtigster Gewerkschaftsboß heimlich ein ganz übler Spekulant? Den Vorwurf erhebt zumindest die Hamburger Illustrierte Stern in ihrer neuesten Ausgabe. Franz Steinkühler, Vorsitzender der IG Metall, soll demnach seinen Posten als Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG für ein höchst lukratives Insidergeschäft mit Mercedes- Aktien an der Frankfurter Börse genutzt haben. Steinkühler kaufte am 1. April ein größeres Paket Mercedes-Aktien, deren Kurs am Tag darauf sprunghaft stieg: Daimler-Benz gab nämlich am 2. April bekannt, daß die (billigeren) Mercedes-Aktien zum Ende des Jahres 1:1 in (teurere) Daimler-Aktien getauscht werden sollen. Wer's vorher schon wußte, konnte also durch den Erwerb eines größeren Pakets Mercedes-Aktien ein dickes Geschäft machen. Insidergeschäfte, bei denen eine Person ihr Wissen als Eingeweihte zur Spekulation nutzt, sind zwar in Deutschland nicht verboten, aber an der Börse als Verletzung jener Spielregel, nach der jeder Spekulant die gleichen Chancen haben soll, verpönt. Steinkühler bestritt gestern, schon am 1. April gewußt zu haben, worüber am 2. April die Öffentlichkeit offiziell informiert wurde. Seit Dezember habe er, wie jeder gewöhnliche Wohlhabende, die ständig steigenden Mercedes-Aktien beobachtet und dann – für rund eine Million Mark – zugegriffen. Auf die Frage, woher ein Gewerkschafter eine Million habe, um sie in Aktiengeschäfte zu stecken, antwortete Steinkühler: „Ich bin 56 Jahre alt und halte es als sparsamer Schwabe nicht für unnormal, Ersparnisse zu haben.“ Er wohne zur Miete, und die IG Metall bezahle „auch nicht schlecht“. Im übrigen habe er gar keine Zeit, Geld auszugeben.
Allerdings gelobte der Arbeiterführer Besserung: Er werde keine Aktien eines Unternehmens mehr kaufen, in dessen Aufsichtsrat er sitze. Einen Schaden durch seinen Erfolg als Spekulant hat im übrigen kein Arbeiter. Über einen Nachteil können sich höchstens andere Spekulanten beschweren. dri Seite 6
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