Bosnienpolitik: Konzertierte Konfusion

Obwohl die Ablehnung des Vance-Owen-Plans durch die Serben vorhersehbar war, hat die US-Regierung keine neuen Pläne zur Lösung des Bosnien-Konflikts entwickelt  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Man könnte es als einen Zustand konzertierter Konfusion bezeichnen. Der Ausgang des Referendums der bosnischen Serben – bis zu 99 Prozent stimmten gegen den Vance-Owen-Plan – war so vorhersehbar wie ein Wahlergebnis aus realsozialistischen Zeiten – und trotzdem präsentieren sich die westeuropäischen Regierungen und die Clinton-Administration nun vollends rat- und orientierungslos. Bei der Suche nach den konkreten Entwürfen der zukünftigen amerikanischen Bosnienpolitik läßt sich somit nur soviel feststellen: Pläne für Luftangriffe gegen serbische Stellungen und eine Aufhebung des Waffenembargos sind seitens der USA vorerst vom Tisch, nachdem es US-Außenminister Christopher nicht gelungen war, die westeuropäischen und die russische Regierung für dieses Vorgehen zu gewinnen.

In der Clinton-Administration stellt man sich nach diesem gescheiterten außenpolitischen Vorstoß offensichtlich auf den Standpunkt, daß neue Vorschläge nun Angelegenheit der Verbündeten sind. Warren Christopher gab sich am Montag zugeknöpft: „Es scheint, als hätten unsere Alliierten eigene Ideen, die sie gegenwärtig verfolgen wollen“.

Fest steht zudem, daß die USA weiterhin nicht bereit sind, Bodentruppen für den Schutz der „UNO- Sicherheitszonen“ für bosnische Muslime zu stellen. Clintons Ankündigung, US-Soldaten zwecks präventiver Friedenssicherung nach Mazedonien zu schicken, hatte bislang keine Konsequenzen, zumal UNO-Beamte erklärten, die bereits stationierten 700 Blauhelme aus Europa reichten völlig aus. An den UNO-Einheiten, die das von Belgrad angekündigte Embargo gegen die bosnischen Serben überwachen sollen, wollen die USA sich nicht beteiligen.

Vollends verdattert reagierten UNO-Vertreter und Verbündete dann am Montag, als die USA ihre Teilnahme an einem Treffen der Außenminister der Mitgliedsländer des Sicherheitsrats verweigerten. Auf Vorschlag von Rußlands Außenminister Kosyrew soll bei dieser Gelegenheit das weitere Vorgehen im Bosnien-Konflikt abgestimmt werden. Washington begründete sein Fernbleiben damit, daß ein solches Treffen besser vorbereitet werden müsse.

Die einzig klare Empfehlung zu Bosnien kam ausgerechnet aus der Zentrale des CIA. Ohne eine militärische Intervention, so resümierte der US-Geheimdienst, werde der Staat Bosnien-Herzegowina in ein Groß-Serbien, ein Groß-Kroatien und „eine Art UN- Protektorat für Muslime“ aufgehen.

Dies ist auch Präsident Clinton klar. Doch abgesehen von fehlenden Konzeptionen hat Clintons Zickzackkurs der letzten Wochen seine Glaubwürdigkeit arg ramponiert. Von einem „totalen Kollaps“ der US-Politik im ehemaligen Jugoslawien sprach in der Zeitung Newsday der Balkanexperte des konservativen „American Enterprise Institute“, Patrick Glynn. George Kenney, der im letzten Jahr aus Protest gegen die passive Haltung der Bush-Administration seinen Posten als Leiter der Jugoslawien-Abteilung im US-Außenministerium kündigte, wähnt die Clinton-Administration zum wiederholten Male in einer Prüfphase. „Sie warten wieder einmal ab, ob sich genügend politischer Druck entwickelt, der sie zum Handeln zwingt.“

Fürs erste konzentriert sich Clinton nach dem öffentlich erhobenen Vorwurf, sich zu verzetteln, wieder voll auf die Innen- und Wirtschaftspolitik. In bekannter Manier versucht er außerhalb Washingtons bei Bürgerversammlungen und Fabrikbesichtigungen, Unterstützung für sein Wirtschaftsprogramm zu gewinnen.

Unterstützung für seinen Plan einer militärischen Intervention erhielt der Präsident nun ausgerechnet von Amerikas Kirchenführern. Am Wochenende forderte der „National Council of Churches“, der größte Zusammenschluß protestantischer Kirchen, notfalls militärisch einzugreifen, um das Blutvergießen in Bosnien zu stoppen. Bereits letzte Woche hatten die römisch-katholischen Bischöfe der USA erklärt, es sei im Fall Bosnien zu rechtfertigen, „Gewalt anzuwenden, um hilflose Menschen gegen Aggression und Barbarei zu schützen“. Beide Institutionen hatten sich im Golkrieg gegen militärische Gewalt ausgesprochen. Am deutlichsten fiel die Stellungnahme des „American Jewish Committee“ aus, das keine religiöse Einrichtung, sondern eine Menschen- und Bürgerechtsorganisation ist. Das Komitee forderte sowohl gezielte Luftangriffe seitens der USA gegen serbische Stellungen als auch die Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnischen Muslime.