Heinrich Lummers letzte Nummer?

■ Immer mehr Christdemokraten fordern für den Rechtsaußen den Parteiausschluß / Der Berliner CDU-Chef Diepgen muß bald Bericht erstatten

Bonn (taz) – Heinrich Lummer geht es gut. Nein, die lauter werdenden Forderungen nach einem Parteiausschluß machten ihm keine Sorgen, sagt der CDU- Rechtsaußen und Bundestagsabgeordnete. Er befinde sich, so Lummer gestern zur taz, „in einem Zustand heiterer Gelassenheit“.

Während Lummer heiter bleibt, bewölkt sich bei immer mehr Parteifreunden die Stirn. Am 7. Juni muß Lummers Landesvorsitzender, der Berliner CDU-Chef Eberhard Diepgen, vor dem CDU-Bundesvorstand in Bonn über sein Schmuddelkind Bericht erstatten. Hermann Gröhe, der Vorsitzende der Jungen Union (JU), hatte diese Forderung auf der vorletzten Vorstandssitzung erfolgreich durchgesetzt. Der ehemalige Berliner Innensenator habe einiges „klarzustellen“, so Gröhe unlängst im ZDF. Andernfalls sei eine Trennung „unumgänglich“.

Noch steht Lummers Landesverband, der das Ausschlußverfahren eröffnen müßte, hinter ihm. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt“, so der Berliner CDU-Generalsekretär Karl-Joachim Kierey zur taz, plane der Landesverband keinen Ausschluß. Nachdem gegen den rechtslastigen sachsen-anhaltinischen Bundestagsabgeordneten Rudolf Krause das Ausschlußverfahren bereits eingeleitet ist, verstärkt sich jedoch der Druck, mit Lummer dasselbe zu tun.

Wegen der „wiederholten ausländerfeindlichen Äußerungen“ des Berliner Rechtsabbiegers sollte die Partei „ganz massiv“ über einen Rausschmiß nachdenken, empfiehlt etwa Burkhard Remmers, JU-Vorstandsmitglied. „Genauso wie Krause“, so Frauenministerin Angela Merkel bereits vor über einer Woche, „müßte“ Lummer ausgeschlossen werden, wenn er Koalitionen mit den rechtsextremen „Republikanern“ befürworte. Dies hatte er zuletzt Anfang Februar in einem Interview getan. „Mit einer Partei, mit der man redet, kann man auch Koalitionen schließen, wenn sie im Verfassungsrahmen bleibt“, hatte Lummer dort auf die Frage nach den Reps erklärt und hinzugefügt: „Aus heutiger Sicht sage ich: Sie sind nicht aus dem Verfassungsrahmen raus.“

Es war nur ein vorläufiger Höhepunkt des „Schlagzeilentourismus“ (Remmers), den viele Christdemokraten ihrem Parteifreund Lummer zunehmend übelnehmen. Demonstrationen gegen Ausländerfeindlichkeit erklärte er im Januar für ungenießbar: „Mich kotzt das an.“ Israelische Kritik an der ausländerfeindlichen Gewalt in Deutschland qualifizierte er im Dezember als Abzockversuch ab: „Für die Juden ist es der Versuch, die Hand aufzuhalten.“ Richard von Weizsäcker wurde von ihm im März kurzerhand aus der Partei ausgebürgert: „Die Konsequenz kann nur sein“, konterte er ein Weizsäcker-Plädoyer für Plebiszite, „daß der nächste Präsident kein Sozialdemokrat sein sollte, weil faktisch der jetzige einer ist.“

Kierey gesteht Lummer trotzdem weiterhin das Recht zu, auch „irrige Meinungen zu vertreten“. Außerdem erinnert er an die „vielen Verdienste“, die sich Lummer in 40jähriger Mitgliedschaft für die CDU erworben habe. In Bonner Unionskreisen unterstellt man den Berliner Parteifreunden freilich noch ein weiteres Motiv. „Große Teile“ der Spree-CDU teilten Lummers Ansichten. Die wolle die Berliner Parteiführung nicht vergraulen. Im Fall seines Rausschmisses, das glaubt auch Lummer selbst, würden viele CDU- Mitglieder mit ihm gehen: „Es ist so.“ Hans-Martin Tillack