: 500 PolizistInnen nötig und unbezahlbar
■ Gutachten und Gegengutachten über PolizistInnen-Bedarf/ Gespräch mit Staatsrat Kauther
Wieviel PolizistInnen braucht Bremen? Das ist noch immer nicht entschieden. Über den genauen Bedarf gehen die Meinungen des Innensenators und der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) weit auseinander. Zur Erinnerung: Eine Arbeitsgruppe des Innenressorts hatte im vergangenen Herbst durch Vergleich mit anderen Großstädten einen zusätzlichen Bedarf von 847 Stellen ermittelt — zusätzlich zu den etwa 2.800 bestehenden Stellen. Die SKP wollte diesen Bedarf nicht so ohne weiteres glauben und gab ein Gegengutachten bei dem kritischen Kriminologen Pfeiffer in Auftrag.
Seit April liegt dem Innensenator das Gutachten vor (taz berichtete). Pfeiffer kritisiert darin unter anderem den nachlässigen Vergleich mit Hamburg und die Einbeziehung der nachweislich unvollständigen Bremer Statistik von 1991. Pfeiffers Rat: Bevor man neue Leute einstellt, soll eine Reformkommission die Effektivität der Polizei erhöhen.
Auch CDU-Polizeiexperte Ralf Bortscheller hat ein Exemplar des Gutachtens. Jüngst zeigte er sich vor der Presse empört: „Das Pfeiffer-Gutachten umgesetzt bedeutet, daß sich in den nächsten Jahren Null ändert.“ Wir sprachen mit Innenressort-Staatsrat Dr. Helmut Kauther darüber, wie und wann das Innenressort sich entscheiden will.
taz: Der Gutachter Pfeiffer bezweifelt, daß Bremen 847 PolizeibeamtInnen mehr...
Kauther: Ja gut, Pfeiffer hat in der Tat nachgewiesen, daß die Arbeitsgruppe einen Übertragungsfehler bei der Berechnung von Hamburg gemacht hat. Das führt aber dazu, daß der Bedarf eigentlich noch höher wird als 847. Aber die eigentliche Kritik von Pfeiffer ist ja, daß in Süddeutschland die Anzeigebereitschaft geringer sei als in Norddeutschland und die Statistiken deshalb nicht zu vergleichen sind. Wir haben jetzt mal nach seiner Methode gerechnet und nur die drei norddeutschen Städte Bremen, Hannover und Hamburg verglichen. Aber selbst dann ist da noch eine Bedarfslücke von 500.
Sollen also 500 weitere BeamtInnen eingestellt werden?
Das muß man politisch entscheiden. Ob 847 oder 500 Beamte — in beiden Fällen wird Bremen nicht in der Lage sein, das zu finanzieren.
Aber einstellen müssen Sie, die PolizistInnen sind kurz vor dem Rebellieren.
Wir werden einstellen. Wir müssen ja allein schon die hundert unbesetzten Stellen besetzen. Auf der anderen Seite werden wir auch unsere Überlegungen zu einer Polizeireform vorantreiben — das hat ja Pfeiffer auch empfohlen. Aber wir reformieren ja eh schon und sind in vielen Punkten viel weiter als die Länder, die im Moment mit ihren Reformkommissionen zugange sind.
Sie meinen den Quereinstieg und 'Ausländer in die Polizei'?
Das sind zwei Punkte. Darüberhinaus wird man nachdenken, ob man soviel Hierarchie braucht in einem Stadtstaat. Und wir werden über die Zusammenlegung der Kriminalpolizei und der Schutzpolizei nachdenken, da sind einige Länder weiter als wir.
Aufgaben, die jetzt noch von BeamtInnen erfüllt werden wie zum Beispiel das Aufnehmen von Anzeigen, sollen von Angestellten erledigt werden.
Bei einer dreistelligen Zahl von Stellen könnte man Angestellte statt Polizeivollzugsbeamte einstellen. Aber das ändert an der Zahl der Beschäftigten nichts, das sind dann eben zivile Beschäftigte.
Wann tut sich was?
Wir werden bis zur Sommerpause eine Entscheidung im Senat haben, wieviele zusätzlich eingestellt werden und wann eine Reformkommission eingesetzt wird. Fragen: Christine Holch
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