: Owen zwingt Muslimen Kompromiß auf
Die kroatische Seite geht trotz der Kritik durch die EG-Außenminister aus den Verhandlungen mit der bosnisch-muslimischen Regierung als Sieger hervor ■ Aus Medjugorje Erich Rathfelder
Dieses Übereinkommen werde die Kämpfe in Bosnien-Herzegowina stoppen und eine Grundlage für die Einleitung eines ernsthaften Friedensprozesses bilden, erklärte der kroatische Präsident Franjo Tudjman am Dienstagabend in dem westherzegowinischen Wallfahrtsort Medjugorje. Auch die anderen kroatische Teilnehmer der Verhandlungen, die von den Jugoslawienunterhändlern Lord Owen und Stoltenberg mit dem Ziel einberufen worden waren, die Kämpfe zwischen Kroaten und Muslimanen zu beenden, zeigten sich optimistisch. Der Kompromiß werde von den Kroaten in Bosnien-Herzegowina akzeptiert, stimmte der „Präsident“ der selbsternannten Republik „Herceg-Bosna“, Mate Boban, zu. Nur in der Delegation des bosnischen Präsidenten Izetbegović gab es betretene Gesichter. Denn wieder einmal sind die muslimanischen Bosnier als Verlierer aus den Gesprächen hervorgegangen.
Der Kompromiß beinhaltet nämlich die sofortige Etablierung von zunächst drei von insgesamt zehn Provinzen Bosnien-Herzegowinas nach den Kriterien des Vance-Owen-Plans und die Bildung eines gemeinsamen, regierenden Ausschusses, einer Art Übergangsregierung, für das gesamte von moslemischen Bosniern und bosnischen Kroaten kontrollierte Gebiet. In den drei Provinzen Mostar, Travnik und Zenica sollen jeweils ein Gouverneur und ein Stellvertreter – jeweils einer Kroate, der andere Muslimane –, sowie ein von Muslimanen und Kroaten gemeinsam gestellter regierender Ausschuß gebildet werden. In Mostar und Travnik soll jeweils ein Kroate den Gouverneursposten besetzen, in Zenica ein Muslimane.
In der Regierung sollen nach dem Willen von Lord Owen die „konstituierenden Völker“ Bosniens-Herzegowinas gleichermaßen, nämlich mit je drei Sitzen, vertreten sein. Überraschend war an diesem Dienstagabend, daß schon personelle Entscheidungen getroffen waren. So sollen die moslemisch-bosnische Seite vom jetzigen Präsidenten Alia Izetbegovic, dem aus Bihac kommenden Fikret Abdic und Präsidiumsmitglied Ejup Ganic repräsentiert sein, während die kroatische Seite die westherzegownischen Politiker Mate Boban, Bozo Rajic und Mile Akmacic in die Regierung schicken wollen. Die drei Sitze für die serbischen Repräsentanten bleiben frei.
Es war zu spüren, daß für Lord Owen dieses Ergebnis der Verhandlungen eine persönliche Genugtuung bedeutete. Denn nachdem die serbische Seite am letzten Wochenende eine Volksabstimmung abhalten ließ, die das Scheitern seines Friedensplanes augenfällig machte, brachte er ein neues Schlagwort in die Debatte: Es handele sich nun um die „progressive Implementierung des Vance- Owen Plans“. Indem in den drei oben genannten Provinzen der Vance-Owen-Plan erfüllt werde, könnte von nun an sukzessiv vorgegangen werden. Die Tür für die serbische Seite sei weiterhin offengeblieben, doch noch einzulenken. „Es werde keine Spaltung Bosnien-Herzegowinas in eigenständige Staaten geben“, erklärte der britische EG-Unterhändler. Und er ließ keinen Zweifel daran, daß für ihn nur eine Strategie in Frage kommt: „Wir müssen verhandeln, verhandeln und nochmals verhandeln.“
„Nur, wenn endlich, wie dies von us-amerikansicher Seite angedeutet wurde, das völlig ungerechtfertigte Waffenembargo uns gegenüber aufgehoben würde“, könnte der jetzt gefundene Kompromiß tragfähig sein, hieß es aus den Reihen der bosnischen Regierungsdelegation. Garantien dafür seien jedoch nicht gegeben worden. Damit sei die Verteidigung gegenüber der serbischen Aggression in Ost- und Zentralbonsien immer noch nicht gesichert. Immerhin sei aber mit der Implementierung dieses Kompromisses der selbsternannte Staat Herceg- Bosna gegenstandslos.
In der kroatischen Delegation herrschte auf diesbezügliche Fragen allerdings Schweigen. Es bleibt weiterhin offen, ob der Kompromiß lediglich taktisch genutzt wird, um in Zukunft das schon seit langem, auch von Tudjman angepeilte Ziel, nämlich das der Vereinigung der beiden kroatisch dominierten Provinzen mit Kroatien, doch noch zu verwirklichen. Für diese Annahme spricht, daß die kroatische Seite in den Details bisher keinerlei Zugeständnisse gemacht hat.
Zu einem echten Ausgleich gehörte nämlich, daß die westherzeginisch-kroatische Armee in eine bosnische eingegliedert würde, daß die Kommunikationslinien, wie die Telefonleitungen und die Verkehrsverbingungen wieder hergestellt würden, daß die Verantwortlichen für die Verbrechen, erinnert sie nur an die 103 Ermordeten im Dorf Ahmici, der Justiz übergeben würden. Doch in bezug auf diese Details sind keine Verhandlungsergebnisse bekannt. „Dem Stärkeren ist wieder Recht gegeben worden“, kommentierte ein slowenischer Beobachter das Ergebnis der Verhandlungen.
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