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Vom Pilotprogramm zum Zankapfel

■ SPD-Prestige-Projekt "Soziale Brennpunkte": Des einen Freud, des anderen Leid / "Ensemblegeist" im Senat offenbar unterentwickelt

: Des einen Freud, des anderen Leid / »Ensemblegeist« im Senat offenbar unterentwickelt

Das Problem der Armut sei nicht allein mit Geld zu lösen, verkündete Sozialsenator Ortwin Runde gestern anläßlich der Präsentation eines neuen Armutsberichts. Eine These, der sich ohne Frage auch Stadtentwicklungsenatorin Traute Müller anschließen würde. Doch damit wäre auch schon Schluß mit der Einmütigkeit. Rundes Ankündigung, nun eine gesamtstädtische Armutskonferenz einzurichten, ist ein offener Affront gegen die Senatorin: Die quält sich bereits seit einem Jahr, die Behörden zu einer konstruktiven Zusammenarbeit für das SPD- Projekt „Soziale Brennpunkte“ an einen Tisch zu bekommen.

Die Erkenntnis, daß auch in Hamburg Armut existiert, schlich sich erst vor knapp zwei Jahren ins Bewußtsein der Genossen. Was viele Untersuchungen nicht geschafft hatten, erreichten die Betroffenen selber. Sie verweigerten 1992 bei den Wahlen schlicht den Urnengang. „Die NichtwählerInnen setzen ein Signal“, erkannte die SPD prompt, und auch, daß es einen Zusammenhang zwischen Armut und Politikverdrossenheit gibt. Das „Soziale Brennpunkte-Programm“ wurde geboren - und sogleich ein Zankapfel.

Die „soziale Großstadtstrategie“, die Traute Müller federführend in die Tat umsetzen sollte, erforderte Kooperation. Eine undankbare Aufgabe, wie sie kürzlich öffentlich bekannte. Denn Arbeiten an einem gemeinsamen Ziel widerstrebt so manchem offenbar zutiefst. Die Hamburger Politik, so Müller, sei bislang eine „Nummernrevue“ von Stars samt „ihren Eitelkeiten und Intrigen“ gewesen. Doch nun sei „Ensemblegeist“ gefordert und die Divas müßten gleichberechtigt agieren. „Können Sie sich vorstellen, was da los ist?“, fragte Müller ihr Auditorium.

Gestern konnte man zumindest eine Ahnung davon bekommen. Denn Runde wischte das „Soziale Brennpunkte-Programm“ mit einer Bemerkung vom Tisch: „Ich halte eine Stigmatisierung bestimmter Stadtteile für höchst gefährlich“, so sein knapper Kommentar. In der Stadtentwicklungsbehörde fühlte man sich hingegen von dem Plan der neuen Armutskonferenz düpiert. Eine Rückkoppelung habe es dazu nicht gegeben - zudem sei die Schaffung von Stadtteilkonferenzen in den Brennpunkten ein Kernpunkt ihrer Arbeit gewesen.

Doch so leicht, wie sich manche Senatoren mit Ankündigungen tun, so schwer tun sie sich mit Taten. Eine millionenschwere Brennpunkte-Drucksache schaffte es bislang nicht, den Senat zu passieren. Nicht über Großstadtstrategien, sondern über halbe Stellen wurde dort gestritten. Am Dienstag folgt ein nächster Versuch. Sannah Koch

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