: „Wohnen müssen doch alle“
■ Wohnungsnot ist für sozial Benachteiligte ist längst eine Existenzfrage geworden
Eigentlich eine geradezu bescheidene Forderung: daß jemand seine Abmachungen einhält — besonders, wenn es sich um die Regierung handelt. Nicht mehr und nicht weniger verlangen die 24 Bremer Organsisationen und Initiativen, die sich im „Arbeitskreis Wohnen“ zusammengeschlossen haben. Das Problem ist nicht neu, aber wird durch Wiederholung auch nicht kleiner: 4- bis 6.000 Menschen sind allein in der Stadt Bremen ohne eigene Wohnung. Und bei ihren Ampelverhandlungen hatten die KoalitionspartnerInnen vereinbart, „pro Jahr mindestens 3.000 Wohnungen für Wohnungsnotstandsfälle“ bereitzustellen, „also ca. 1.000 mehr als bisher“. Die tatsächliche Praxis geht nicht nur weit an diesem Ziel vorbei, sie droht auch per Vetrag festgeschrieben zu werden, warnte vor der Presse für den AK Wohnen Ilona Makossa, Referentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Denn: Mit dem „Bremer Vertrag“ war bislang, vage und butterweich, voller Absichtserklärungen und Bemühungsklauseln, geregelt, wie und wieviele der öffentlich geförderten Wohnungen an 'Problemgruppen' vergeben werden müssen. Feste Quoten und Zahlen kamen nicht vor. Das wollte die Koalitiosvereinbarung ändern. Jetzt ist der Vertrag geändert und soll Anfang Juni vom Senat gebilligt werden, mit Quote. Aber: Rund 1.800 Wohnungen jährlich, nämlich 60% der freiwerdenen Wohnungen, sollen für „Notstandsfälle“ zur Verfügung stehen, also für Strafentlassene, obdachlose Jugendliche, Psychiatrie-Entlassene, Frauenhaus- Frauen, Drogenabhängige, Aussiedler. Die angepeilten 3.000 Wohnungen sind einfach nicht mehr zu erreichen, meint Karl Bronke aus der Sozialbehörde, weil immer weniger Wohnungen überhaupt freiwürden.
Für „angemessenen und dauerhaften Wohnraum für sozial benachteiligte Menschen“ will sich der AK Wohnen einsetzen; schlecht sieht es damit aus. Die Unterbringung in Containern, Billighotels, Baracken, Zelten ist erstens teuer und hat zweitens dramatische psychosoziale Folgewirkungen. Makossa: „Das ist nicht gerechtfertigt. Und die Behörde muß die Kosten übernehmen, und die Menschen blockieren langfristig die Einrichtungen, die eigentlich für Akutfälle da sein sollen.“
1.670 Wohnungen wurden 1992 an Notstandsfälle vergeben. Was das für Haftentlassene bedeutet, erklärte Klaus Weber von der Straffälligenbetreuung: „Die Wohnung ist ein elementarer Resozialisierungsfaktor: Wie soll einer ein neues Leben anfangen ohne Wohnung? Der macht doch gleich da weiter, wo er aufgehört hat.“ 1992, so Weber, standen von den 400 Haftentlassenen aber zwei Drittel ohne Wohnung da.
„Es ist bedrückend und enttäuschend, daß die Koalitionspartner nicht mehr für die eigenen Zahlen einstehen“, findet auch Volker Busch Geertsma von der 'ALLWO — Hilfen für alleinstehende Wohnungslose', „wir befürchten, daß das Erreichte noch zurückgenommen wird.“ Notfalls, so Busch, müsse man eben über ein Wohnungsbindungsgesetz oder über behördliche Belegrechte nachdenken gegenüber allen, die die Quote nicht erfüllen, wie das in Hamburg und Kommunen Bayerns und Niedersachsens längst üblich sei. Und: von den - mit Steuergeldern geförderten jährlich rund 1.000 — Wohnungen, deren Träger nicht Vertragspartner sind, rede niemand; längst sei keine Rede von den zusätzlichen Registern, die man ziehe könne: Erwerb von Belegrechten, Ankauf älterer Häuser, Umzugsprämien fürs Freimachen großer Wohnungen. Schwarze Aussichten: bis zum Jahr 2000 fallen 20.000 Wohnungen aus der zeitlichen Sozialbindung. S.P.
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