: Gewerbehöfe können durchatmen
■ Kreuzberg verweigert Verkauf des Oranienhofes / 92-Millionen-Deal für drei Gewerbehöfe vorerst auf Eis gelegt
Kreuzberg. Die rund 100 Betriebe im Engelbecken-, Elisabeth- und Oranienhof in Kreuzberg können vorerst aufatmen. Das Bezirksamt stimmte dem Verkauf des Oranienhofs durch den derzeitigen Eigentümer Appendino an den Immobilienmakler Peter Weber nicht zu.
Baustadträtin Erika Romberg (Grüne/AL) begründete gestern die Ablehnung mit dem von Weber veranschlagten Mietpreis von 23 Mark pro Quadratmeter. Damit werde das Sanierungsziel des Bezirkes in dem Gebiet rund um den Oranienhof nach Paragraph 145 des Baugesetzbuches „wesentlich erschwert oder sogar umöglich gemacht“. Weber, der die drei Höfe als Paket für 92 Millionen Mark erworben hatte und daraus Dienstleistungszentren und sogenannte Erlebnishöfe machen will, war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ihm bleibt jetzt nur die Möglichkeit, beim Bauamt Kreuzberg innerhalb der nächsten vier Wochen Widerspruch einzulegen. Sollte er damit keinen Erfolg haben, wird nach Angaben von Romberg die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen mit einer erneuten Prüfung beauftragt. Ob sich Weber für dieses zeitraubende Verfahren entscheiden wird, ist jedoch mehr als zweifelhaft. In letzter Zeit verdichteten sich die Gerüchte, daß Weber selbst über einen Rücktritt aus dem Vertrag mit Appendino nachdenkt. In einem Brief an Kreuzbergs Bürgermeister Peter Strieder (SPD) schrieb er, noch sei die Übergabe der Gewerbehöfe durch Appendino an ihn „nicht gesichert“. Bei den Betroffenen wurde die Entscheidung des Bezirksamtes mit Erleichterung aufgenommen. Uli Link, Sprecher der Gewerbetreibenden im Engelbeckenhof und einer der beiden Geschäftsführer der Tischlerei Kernholz, forderte gegenüber der taz verstärkte Bemühungen, um Alternativkonzepte auszuarbeiten. Zwischen Bezirk und Betroffenen gibt es bisher keine Einigkeit, wie der Bestand der Gewerbehöfe gesichert werden kann. Bürgermeister Strieder hatte kürzlich vorgeschlagen, im Gegenzug für langfristige Mietverträge mit dem Eigentümer einige Flächen frei zu machen, auf denen höhere Mieteinahmen erzielt werden können. Diesen Vorschlag lehnte Link gestern erneut ab. Zumindestens die Betroffenen aus dem Oranien- und dem Engelbeckenhof seien sich darüber einig, die Immobilie selbst zu erwerben, allerdings nicht für 92 Millionen. Sollte Appendino bereit sein, die drei Höfe für 50 bis 60 Millionen zu verkaufen, seien viele Gewerbetreibende auch bereit, „tief in die Tasche zu greifen, um weiterhin in Kreuzberg arbeiten zu können“. Severin Weiland
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