: Wenn Körner Kreise ziehen
■ Englands Roggenfelder sind heilig
Vor einiger Zeit hatte ich das denkwürdige Vergnügen, von einer Gruppe Waliser in ein Gespräch verwickelt zu werden. Es ging dabei um die vor allem in den Grafschaften Devon und Cornwall zahlreich aufgetauchten Kornkreise. Keine Frage: Für mich war das völlig absurder Humbug, aber immerhin doch ein harmlos-netter Einfall der lokalen Tourismusindustrie, um den Fremdenverkehr ein wenig anzukurbeln (und der Landwirtschaft neue Absatzmärkte – zum Beispiel mit exorbitant-dynamischem Kornkreis-Roggen – zu verschaffen? Anm. d. Red.).Allerdings fuhr ich dann doch einen Umweg, um mir die berühmten Kornkreise anzusehen.Es war beeindruckend. Wer das veranstaltet hatte, war geschickt vorgegangen: Es gab keinerlei Spuren, die auf irgendwelche Hilfsgeräte beim Roggenkämmen hingewiesen hätten. Da lagen sie also, die hingebürsteten Kreise, die durch die Medien in aller Welt gegangen waren und inzwischen zur Schallplattenhülle und zum T-Shirt-Aufdruck avanciert sind. Wo kamen diese Kreise her? Wie dem auch sei, für einen Journalisten lag da allemal eine Story drin, dachte ich mir.
Im Londoner Studio meiner Kollegen vom kanadischen Rundfunk schlug ich dem Chef vom Dienst das Thema als Abspann für die Nachrichten vor – Motto: Mal wieder so eine verrückte Story aus dem Land der Exzentriker. Doch damit handelte ich mir einen bösen Rüffel ein. „Ihr Deutschen wollt immer alles, was Euch nicht erklärlich erscheint, ins Lächerliche ziehen“, schnauzte mich der Diensthabende an. „Von Aberglauben und Hokuspokus verstehen die Engländer und Waliser seit Jahrhunderten etwas – und nicht unbedingt zu ihrem Nachteil.“ Der Beitrag blieb ungesendet.
Er hatte recht. Der Glaube an übernatürliche Kräfte ist gerade in den westlichen und südwestlichen Grafschaften von England und Wales ungebrochen und Teil einer alten Tradition, die bis auf wenige Ausnahmen niemals mißbraucht wurde. Die Menschen wissen damit umzugehen, sie schätzen die Phantasie und Geschicklichkeit im Geschichten erzählen. Auch die im vergangenen Jahr verstorbene Schriftstellerin Angela Carter hat in ihren Büchern immer wieder auf Märchen, Aberglauben und Geschichten zurückgegriffen, in denen Wunder und Zauberer zu Hause waren.
Die Kornkreise jedenfalls, das habe ich seitdem gelernt, sind einfach schön. Und das reicht ja auch eigentlich – wer oder was auch immer die Ursache dafür ist. Uwe Westphal
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