: Gratwanderung in Teheran
Zwei FDP-Abgeordnete bemühen sich im Iran um die Menschenrechte und einen zum Tode verurteilten Deutschen / Menschenrechtler warnen vor für Besucher „gesäuberten“ Gefängnissen ■ Von Thomas Dreger
Berlin (taz) – Die FDP-Bundestagsabgeordneten Burkhard Hirsch und Gerhart Baum auf heikler Mission: Offiziell sollen sich die beiden Politiker im Auftrag ihrer Fraktion bis Sonntag in Teheran über die Lage der Menschenrechte informieren. Hinter den Kulissen werden sie aber auch über das Schicksal von zwei Deutschen verhandeln, die im Iran festsitzen. Einer von ihnen wurde zum Tode verurteilt.
Baum und Hirsch folgten einer Einladung des iranischen Botschafters in Bonn, Hossein Mousavian. Den Anstoß lieferte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des iranischen Parlaments, Hassan Rohani. Der Vertraute von Präsident Rafsandschani hatte im April bei einem Bonn-Besuch Außenminister Kinkel vorgeschlagen, deutsche Parlamentarier könnten sich in iranischen Gefängnissen überzeugen, daß in der Islamischen Republik die Menschenrechte gewahrt würden. Im Gegenzug wollten iranische Vertreter muslimische Gefangene in deutschen Gefängnissen besuchen.
Die Sorge um die zwei im Iran festgehaltenen Deutschen könnte Baum und Hirsch unter Druck setzen. Auf ihrem Besichtigungsprogramm steht das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis. Dort sitzt auch der 58jährige Helmut Szimkus. Er wurde im Januar 1992 wegen angeblicher Spionage für das Nachbarland Irak zum Tode durch den Strang verurteilt. Nach Angaben der iranischen Behörden soll Szimkus im Januar 1989 bei dem Versuch geschnappt worden sein, illegal vom Irak in den Iran einzudringen. Angeblich plante er, Ziele für irakische Raketen auszuspionieren. Sein Landsmann, der 59jährige Paul-Dietrich Fersch war im August 1992 wegen „Betruges, Verbreitung falscher Informationen und Schmähung von Chomeini-Bildern“ verhaftet worden. Inzwischen befindet er sich wieder auf freiem Fuß, darf aber Teheran nicht verlassen.
Oppositionsgruppen und Menschenrechtler beobachten die Reise der beiden FDPler mit gemischten Gefühlen. Die Berliner „Liga zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran“ begrüßte den Trip, warnte aber, daß iranische Gefängnisse schon öfters für Besuche „gesäubert“ worden seien. Auch Irina Wiesner von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV) fürchtet, daß die Parlamentarier durch Zellen gelotst werden, in denen „nur noch Leute sitzen, die sagen: Uns geht's gut.“
Die „Volksmodjahedin Iran“ lehnen die Reise völlig ab. Während die iranische Führung dem Sonderbeauftragten der UN-Menschenrechtskommission, Reynald Galindo Pohl, und Beobachtern von amnesty international die Einreise verweigere, würden die deutschen Parlamentarier dem „Regime helfen, seine Verbrechen zu vertuschen“. Pohl, der sich seit über einem Jahr vergeblich um ein Visum für den Iran bemüht, legte der UNO im Februar seinen letzten Bericht vor. Dieser bescheinigt der iranischen Führung in Sachen Menschenrechte für das Jahr 1992 „keinerlei Fortschritte“. Die Zahl der Todesurteile habe sogar zugenommen. Ein vertrauliches Papier der iranischen Führung belegt, daß die Unterdrückung der 300.000 im Iran lebenden Angehörigen der Bahai-Religion von höchster Stelle angeordnet ist. Das Dokument wurde vom geistlichen Führer Ali Chamenei gegengezeichnet.
Laut amnesty international wurden im Iran im vergangenen Jahr über 330 Personen hingerichtet. 140 Exekutionen sollen politisch motiviert gewesen sein. Die Gefangenenhilfsorganisation verweist auch auf die Ermordung von drei führenden Mitgliedern der „Kurdischen Demokratischen Partei Iran“ (KDPI) und eines vierten iranischen Kurden am 17. September 1992 in Berlin. Laut amnesty international rühmte sich Irans Minister für Sicherheit und Information, Ali Fallahian, kurz vor dem Attentat im Fernsehen „schwerer Schläge“ gegen im Ausland aktive Oppositionelle, darunter Kader der KDPI. Als mutmaßlichen Drahtzieher für das Attentat in Berlin verhafteten deutsche Polizisten den Iraner Kazem Darabi. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz halten ihn für einen iranischen Geheimdienstagenten.
Radio Teheran kündigte an, den Gästen läge der „Ausbau der wirtschaftlichen, kulturellen und restlichen Beziehungen“ am Herzen.
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