: Im Kostümkampf
■ Sophokles' Tragödie Antigone als Körpertheater
als Körpertheater
Stühlerücken, Füßescharren, eingeengte Knie — zur Premiere des ambitionierten Antigone-Projekts von Gundula Classen glich das kleine Eimsbütteler Kunststück eher einer Sardinenbüchse als einer Spielstätte. Doch das Leiden wurde belohnt: Die Regisseurin und Choreographin präsentierte ein schlüssiges Körpertheater-Konzept der antiken Vernunftkritik-Tragödie.
Das Stück um die Ödipus-Tochter, die gegen den Willen und das Gesetz Kreons, König von Theben, ihren als Rebellen gefallenen Bruder Polyneikes bestattet und dafür zum Tod verurteilt wird, wandelt sich in der Inszenierung zur schweißtreibenden Ein-Frau-Performance. Nach den prologhaft vorangestellten Königsphrasen tanzt und spielt Christiane Maassen zwischen Bruderleiche, Stadttor und Umkleideleiter wortlos die verschiedenen Rollen. Allein der selbstherrliche Kreon gewinnt keine Gestalt, gegenwärtig nur als Tonbandstimme (Joachim Kappl) und blau-quadratischem Lichtspot.
Der Widerstreit zwischen der Staats-Macht und den ihr untergebenen Körpern bildet das dramaturgische Konzept; dabei gelingen Regisseurin und Darstellerin schöne Bilder, etwa bei der kreatürlich-egoistischen Erleichterung des Wächters, der Antigone in flagranti beim Bruderbestatten erwischt, oder zu den Visionen vom blinden Teiresias, ein mit den Händen statt Worte ringender Seher.
In der Beschränkung auf eine Schauspielerin liegen allerdings auch die Schwächen der Bearbeitung. Der ins Spiel integrierte Kleiderwechsel auf der Bühne mutiert bisweilen zum Kostümkampf und sorgt für störende Spannungsbrüche. Christiane Maassen überzeugt immer dann, wenn es ihr gelingt, eine Figur mit wenigen Zügen zu umreißen. Dagegen stellt sich der Eindruck emotionaler Tiefe Antigones nur selten ein, ihr mit musikalischem Pathos unterlegtes Ende wirkt klischeehaft. Claus Caesar
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