: VS soll weg
■ Wegen des eklatanten Versagens im Fall "Mykonos" fordert FDP die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz
Die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) hat die FDP-Fraktion gefordert. Ein entsprechender Antrag wurde in dieser Woche im Abgeordnetenhaus eingebracht, teilte Verfassungsschutzexperte Rolf-Peter Lange mit. Zur Begründung verwies der FDP-Politiker auf die jüngsten „Fahndungspannen in Zusammenhang mit dem Mykonos-Attentat“, bei dem im September 1992 vier kurdische Exilpolitiker in einem Wilmersdorfer Restaurant erschossen wurden. Sie hatten an einer Tagung der Sozialistischen Internationale in Berlin teilgenommen.
Von der Innenverwaltung und dem Verfassungsschutz waren Hinweise auf einen Iraner, der als deutscher Statthalter der vom Iran unterstützten Hisbollah galt, lange Zeit unbeachtet geblieben. Eine Überwachung des Telefonverkehrs fand acht Monate lang nicht statt, weil angeblich kein Dolmetscher vorhanden war. Statt dessen wurde dem Mann in einem Gespräch von Mitarbeitern des Landesamts lediglich eingeschärft, er solle eine politische Betätigung unterlassen. Der Mann war wenige Tage nach dem Attentat unter dem dringenden Verdacht der Tatbeteiligung verhaftet worden. Auch die Organisatoren des Treffens der Sozialisitischen Internationale machen dem Verfassungsschutz Vorwürfe: Mehrmals hätten sie wegen der Sicherheitsprobleme eine Kontaktaufnahme und die Übergabe von Teilnehmerlisten angeboten. Offenbar habe aber beim Verfassungsschutz daran kein Interesse bestanden.
„Das LfV ist nicht mehr in der Lage, auch nur einen Bruchteil der ihm anvertrauten Sicherheit in Berlin zu gewährleisten“, erklärte Lange. Gerade die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit dem Mykonos-Attentat hätten offenbart, daß das Zusammenspiel der Berliner Sicherheitseinrichtungen in keiner Weise mehr gewährleistet sei. „Verkrustete Strukturen, parteipolitisches Mißtrauen, illoyales Verhalten und persönliche und fachliche Unzulänglichkeiten auf allen Funktionsebenen“ hätten dazu geführt, daß das LfV spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung und der damit einhergehenden Übernahme verschiedener Aufgabenbereiche von den Alliierten völlig überfordert sei. Ein „effektiver und erfolgversprechender Neuanfang“ sei deshalb nur durch Auflösung und spätere Neugründung des Landesamtes möglich.
Zur Aufklärung von möglichen Versäumnissen des Innensenators und des LfV im Fall Mykonos hatte auch die SPD in dieser Woche einen Antrag zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses eingebracht. Im einzelnen soll dabei in Erfahrung gebracht werden, ob das LfV überhaupt die ihm gestellten Aufgaben erfüllen kann, wie der Informationsaustausch mit dem Innensenator funktioniert und welche Schlüsse aus Informationen über Aktivitäten iranischer Geheimdienste sowie extremistischer und terroristischer Organisationen in Berlin gezogen wurden. ADN/taz
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