: Der sozialistische Bruder in der Karibik ist nicht vergessen
■ Rußland unterzeichnet umfangreiche Kooperationsverträge mit Kuba / Notprogramme angekündigt
Hamburg (taz) – Vertreter der russischen Regierung haben am Wochenende in Havanna ein umfassendes Vertragswerk unterzeichnet, daß die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Rußland und Kuba wieder intensivieren soll. Offiziellen Kreisen in Havanna zufolge sind insbesondere Öl- und Rohstofflieferungen sowie die Versorgung mit Ersatzteilen vereinbart worden. Auch der Ausbau des kubanischen Ölhafens und der Raffineriekapazitäten der Insel seien Teil des ehrgeizigen Programms, heißt es.
Die Fertigstellung des von der Sowjetunion gelieferten, noch immer im Bau befindlichen Atomkraftwerks bei Cienfuegos jedoch ist offenbar nach wie vor nicht mehr geplant.
Während in der Vergangenheit die Sowjetunion den sozialistischen Verbündeten in der Karibik mit hochsubventionierten Vorzugspreisen alimentiert hatte, basieren die nun unterzeichneten Verträge auf den für Kuba wenig vorteilhaften Preisen des Weltmarkts. Noch bis vor wenigen Jahren wurden mehr als zwei Drittel des gesamten Außenhandels mit der UdSSR abgewickelt. Und wo die US-amerikanische Wirtschaftsblockade erst im letzten Jahr erneut verschärft wurde und die wenigen Exportprodukte Kubas – zu 80 Prozent Zucker – auf einen aufgeteilten und mit protektionistischen Maßnahmen abgesicherten Weltmarkt treffen, hat die Regierung in Havanna kaum eine andere Wahl als die Handelsbeziehungen mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion aufrechtzuerhalten, so gut es geht.
Für diese wird das Geschäft mit Kuba vor allem dadurch interessant, daß diese nicht in harten Dollars bezahlt werden müssen, sondern als devisenfreie Tauschgeschäfte abgewickelt werden.
Das jetzige Abkommen kann so vor allem auch als Bestätigung des bereits im Dezember unterzeichneten Vertrags gesehen werden, in dem der Tausch von 3,3 Millionen Tonnen russischen Öls gegen 1,5 Millionen Tonnen kubanischen Zuckers für das Jahr 1993 vereinbart worden war. Und dies ist keine Selbstverständlichkeit: Hardliner in den USA hatten immer wieder jegliche Hilfe für Rußland von einem Stopp der russischen Kooperation mit Kuba abhängig gemacht. Die von der hochkarätigen russischen Delegation jetzt in Kuba unterschriebenen Verträge zeigen so, daß Clinton – trotz entsprechender Rhetorik von Außenminister Christopher im Vorfeld des Vancouver-Gipfels – diesen Druck offensichtlich nicht an Jelzin weitergegeben hat.
Doch der Energienotstand auf der Insel bleibt trotz allem dramatisch. Als einst die sozialistische Welt noch in Ordnung war, ist Kuba mit jährlich 13 Millionen Tonnen Öl versorgt worden. Noch in diesem Monat soll jetzt, wie die spanische Tageszeitung El Pais kürzlich berichtete, ein neues Notprogramm unter anderem die regelmäßigen Stromsperren in Havanna von bislang acht Stunden pro Woche auf acht Stunden pro Tag ausweiten.
Hinzu kommt, daß die neuen Verträge – so sehr sie auch als „Erneuerung einer alten Freundschaft“ gefeiert werden mögen – zunächst einmal nur auf dem Papier stehen. Denn in den letzten Jahren haben sich die selbst krisengeschüttelten Staaten der einstigen Sowjetunion für Kuba als denkbar unzuverlässige Wirtschaftspartner erwisen. Im Jahr 1991 etwa erfüllte Rußland gerade einmal 38,8 Prozent seiner mit Havanna eingegangenen Handelsverpflichtungen. Und wieviel es 1993 sein werden, das wagt auch in Kuba niemand vorauszusagen. Bert Hoffmann
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