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Angeklagter leugnet

■ Mölln-Prozeß: Christiansen will aus Angst vor Ermordung gestanden haben

Schleswig (AP/taz) – Im Mordprozeß um die Brandanschläge von Mölln hat der 19jährige Angeklagte Lars Christiansen gestern erneut seine Unschuld beteuert. Sein inzwischen widerrufenes Geständnis habe er nur aus Angst davor abgelegt, selbst umgebracht zu werden, sagte er am dritten Prozeßtag vor dem Oberlandesgericht in Schleswig.

„Ich könnte nicht damit leben, wenn drei Menschen auf meine Kosten sterben. Glauben Sie nicht, daß ich so dreist wäre, hier zu sitzen und es abzustreiten, wenn ich es getan hätte“, erklärte er erregt. Anders als sein Mitangeklagter, der 25jährige Michael Peters, gab sich Christiansen selbstbewußt und wurde häufig sehr laut.

Der 19jährige erklärte, die Vorwürfe der Anklage gegen ihn seien unberechtigt. Er habe „null, nix, überhaupt nix“ mit den Anschlägen zu tun, bei denen am 23. November in Mölln drei türkische Frauen umgekommen waren. Bei den zum Teil rüden Vernehmungsmethoden habe er sich immer mehr unter Druck gesetzt gefühlt, sagte er.

Zunächst habe er geglaubt, die Anschläge seien „von staatlicher Seite geplant, um uns fertig zu machen“, erklärte Christiansen. „Ich habe gedacht, wenn ich heute nicht gestehe, werden welche in die Zelle kommen und mich umbringen.“ Um dem zuvor zu kommen, habe er am 1. Dezember versucht, sich selbst umzubringen. Mit seinem Geständnis vom Tag zuvor habe der Selbstmordversuch „weniger zu tun“. Die Einzelheiten des Geständnisses vom 30. November habe er sich ausgedacht. Zum Teil seien ihm auch Worte in den Mund gelegt worden. „Die haben jede Masche probiert“, sagte der Angeklagte.

Auf die Frage von Nebenklagevertreter Hans-Christian Ströbele nach dem von der Polizei verhinderten Anschlag auf ein Flüchtlingsheim im mecklenburgischen Pritzier im September antwortete Christiansen: „In der Gruppe ist das so ein Rausch. Was will man machen, wenn alle mitgehen.“ Er hätte sonst zu Fuß zwölf Kilometer nach Hause laufen müssen, sagte er. Einen Molotow-Cocktais hätte er nicht geworfen.

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