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Der Patient Grüner Punkt ist schwerkrank

■ Kliniken kritisieren Umsetzung des Dualen Systems / Krankenhäuser zahlen drauf / Müllschieberei verprellt Pflegepersonal

/ Krankenhäuser zahlen drauf / Müllschieberei verprellt Pfegepersonal

„Der Grüne Punkt hat unter den Krankenhaus-Mitarbeitern kein gutes Image“, weiß Jürgen Abshoff, Geschäftsführer der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG) aus eigener Beobachtung. Der Grund: Das getrennte Sammeln des Verpackungsmaterials im Klinik-Bereich ist aufwendig und teuer, der Nutzen aber noch gering.

Scharfe Kritik übten gestern die Krankenhausbediensteten bei einer im Schnelsener Albertinen-Krankenhaus stattfindenden Tagung der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft zum Thema Duales System (DSD) im Klinikbereich. Hauptvorwurf: Die DSD-Entsorger, die Millionenbeträge für den Aufbau eines Verpackungs-Recyclingsystems kassierten, würden die, an der Müllsortierung interessierten Kliniken finanziell im Regen stehen lassen.

Allein ein Krankenhaus von der Größe der Eppendorfer Uni-Klinik (UKE) müßte im ersten Jahr der Einführung einer Getrennt-Sammlung von Leichtstoffen (Plastik) 775 000 Mark für Zusatzpersonal und getrennte Sammelbehälter aus eigener Kasse aufbringen, hat die Vorsitzende des "Hamburger Arbeitskreises Umweltschutz im Krankenhaus“ Susanne Wolfhagen, errechnet. Dabei könnte das Duale System sowieso nur ein Fünftel der Gesamt-Abfallmenge eines Krankenhauses erfassen.

Und lediglich ein Drittel dieses spärlichen Restes wird zur Zeit ordnungsgemäß recycelt, daß Gros verschwindet im Verbrennungsofen oder wandert zu teilweise dubiosen „Entsorgern“ im Ausland. „Die Sammelmotivation der Krankenhausbelegschaften ist nach den Berichten über illegale Transporte von Grüner-Punkt-Verpackungen und Krankenhausabfällen nach Indonesien und Frankreich nicht gerade hoch“, berichtet Susanne Wolfhagen.

Auch Stefan Klatt von der DSD GmbH berichtet von einem „signifikanten Desinteresse“ des Krankenhauspersonals „an einer ordnungsgemäßen Abfalltrennung“. Der von den Krankenhäusern gesammelte Verpackungsmüll sei mit Kanülen, blutverschmierten Tupfern und Verbänden durchsetzt, was zu einer erheblichen Infektions-Gefährdung des Sortierpersonals führe. Um die Sammelergebnisse zu verbessern, wird die DSD laut Klatt noch im Juli den Krankenhäusern „eine akzeptable Lösung für die Entsorgung medizinischer Einrichtungen anbieten“.

Für die Abfallreferentin des BUND, Agnes Bünemann, aber löst ein vermehrtes Aufstellen von Sammelsäcken des Dualen Systems das Müllproblem der Krankenhäuser nicht. „Die meisten der im Krankenhaus anfallenden Verpackungen

1lassen sich zwar sammeln, aber nicht vernünftig wiederverwerten“, betont die Naturschützerin. So lassen sich Blisterverpackungen im besten Fall zerkleinern und dann zu Türschildern verpressen, Ampullen

1hingegen gar nicht recyceln. Statt dessen müsse die Devise heißen: Mehrweg statt Einweg, unnötige Verpackungen abschaffen, Glasbehälter ihren Konkurrenten aus Plastik vorziehen. Marco Carini

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