Es muß viel geschehen, bis eine Frau tötet

■ Ehemann erschossen: Staatsanwalt fordert zehnjährige Haftstrafe

Wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, dann soll die 47jährige Serbin und Angehörige der Roma, Radosija T., hart dafür büßen, daß sie ihren Ehemann erschossen hat: Zehn Jahre Haft wegen versuchter Anstiftung und vollendeten Totschlags für die Raumpflegerin, lautete die Forderung des Anklagevertreters gestern. Die Verteidigerin hält ihre Mandantin dagegen mit vier Jahren Haft wegen Totschlags in minder schwerem Fall für mehr als genug bestraft. Das Urteil wird am kommenden Dienstag verkündet.

Der harte Strafantrag von Staatsanwalt Spinti kam vollkommen überraschend. Zuvor hatte er in seinem Plädoyer noch ausdrücklich hervorgehoben, daß Radosija T. durch ein „jahrelanges Ehemartyrium zu der Tat getrieben worden“ sei. Auch daß die Sippe des getöteten Ehemannes im Prozeß als Zeugen gegen die Angeklagte aufgetreten war und diese als Tyrannin darzustellen versucht hatte, hatte Spinti als wahrheitswidrig gegeißelt. Ein minder schwerer Fall des Totschlags kam für ihn dennoch nicht in Betracht, weil die Tat mit „hoher krimineller Intensität geplant“ worden sei: „mag sie noch so gedemütigt und tyrannisiert worden sein“. Schließlich habe Radosija T. zuvor zweimal vergebens versucht, einen Killer zu dingen, und sei selbst nach Polen gefahren, um sich eine Pistole zu beschaffen.

„Es muß schon viel geschehen, bis eine Frau zur Waffe greift und ihren Mann tötet“, listete Verteidigerin Sabine Schrap in ihrem Plädoyer die Mißhandlungen auf, die Radosija T. durch ihren Mann erlitten habe: jahrelange Prügel, bis sie „grün und blau“ gewesen sei, Vergewaltigungen, einmal sogar mit vorgehaltener Pistole, Schläge – nicht nur mit der Faust, sondern mit Staubsauger, Stuhlbein – sowie Verbrennungen durch einen hinterhergeworfenen heißen Kochtopf. Sich von dem gewalttätigen Ehemann zu trennen habe sich ihre Mandantin aus Angst vor dem Mann nicht getraut. Außerdem habe das Wohl der Familie, insbesondere das der bei ihr lebenden drei Enkel, für sie immer im Vordergrund gestanden. Die Anwältin ließ auch keinen Zweifel daran, wie die Aussage der Tochter gegen die angeklagte Mutter zu bewerten sei: Die 29jährige Snezana sei geradezu „haßerfüllt“ darum bemüht gewesen, „ihre Mutter im Saal mit Schmutz zu bewerfen“.

Danach ergriff Radosija T. noch einmal das Wort. Die Strapazen des Prozesses waren der Frau, die der auch gestern wieder zahlreich als Zuhörer anwesenden Sippe des Getöteten möglichst den Rücken zuzukehren suchte, deutlich ins Gesicht geschrieben. Trotzdem fand sie den Mut zu sagen, die Zeugen hätten alle gelogen: „Ich frage mich, wo waren all diese Leute, als es darum ging, mich und meine Enkelkinder zu beschützen? Keiner hat mir geholfen.“ Das Gericht möge ihr „bitte eine milde Strafe“ geben, denn „ich habe sowieso kein Leben geführt“. Plutonia Plarre