piwik no script img

Stallgeruch in der Kaiserloge

■ Der Streit zwischen dem Land Brandenburg und der Treuhand um die Rennbahn Hoppegarten geht weiter / Trotz ausstehender Klärung der Eigentumsfrage laufen Rennen

Für nur wenige Sekunden schwillt das Geschrei der Anfeuerungsrufe auf den Tribünen zu einem ohrenbetäubenden Lärm an – wenn die schweißtriefenden Vierbeiner zum letzten Sprint auf die 1.400 Meter lange Zielgerade einschwenken. Dann ist alles vorbei, die Platzwette ist verpatzt, und der Tip auf den Sieg war auch daneben. Wieder geht's zum Totalisator, um auch die letzten paar Mark für diesen Tag in Hoppegarten zu lassen. Die vielleicht schönste Galoppanlage Deutschlands wird an 19 Renntagen in diesem Jahr wieder tausende Besucher nach Drehwitz im Kreis Strausberg locken. Allerdings gibt es Streit um die Traditions-Rennstätte.

„Mir ist das wurscht, ob der Union-Klub die Rennbahn nun kauft oder nur pachtet.“ Arthur Boehlke ist Geschäftsführer der „Vollblut Rennbahnen Hoppegarten GmbH“ und hängt mit Herz und Seele am Pferderennsport. Die Hauptsache sei doch, daß endlich mal was gebaut werden könne. Mindestens 200 neue Boxen würden gebraucht, so Boehlke. „Dies soll mal das Mekka des deutschen Pferderennsports mit über 1.000 Pferden werden.“ Und überhaupt, „Hoppegarten verfügt über einmalige Trainingsmöglichkeiten, die die anderen Rennbahnen nicht bieten können.“

Bereits sechs Jahre nach ihrer Eröffnung im Jahr 1868 ging die Rennbahn in den Besitz des „Union-Klub“. Nach der Enteignung 1945 gehörte das Gelände zum Bodenreformland. Deshalb stand als Eigentümer das Land Brandenburg im Grundbuch und fordert nun die Eigentumsrechte ein. Das seit der Wende in Treuhandbesitz befindliche Gelände ist seit mehr als einem Jahr Zankapfel zwischen der Breuel-Behörde und dem Land Brandenburg.

Der Union-Klub kaufte bereits im Februar letzten Jahres die auch zu DDR-Zeiten als Rennbahn genutzte Anlage für den Schleuderpreis von 2,5 Milionen Mark und hoffte durch den Verkauf von Hoppegarten-Flächen 30 Millionen Mark einnehmen zu können. 15 Millionen davon sollten später an die Treuhand abgegeben werden. Während der bereits gestarteten Reitsaison stoppte das Kreisgericht Strausberg jedoch im Mai '92 den Verkauf durch eine einstweilige Verfügung, nachdem das Land Brandenburg geklagt hatte.

Henning Schmidt, Pressesprecher des brandenburgischen Finanzministeriums begründet die Klage damit, daß verhindert werden sollte, daß „das Gelände durch einen privaten Eigentümer nach und nach höchst gewinnbringend verkauft wird“. Die grüne Anlage mit dem alten Baumbestand solle als Ganzes erhalten bleiben. Darüber hinaus könne es nicht angehen, daß mit Hoppegarten ein Präzedenzfall für den Verkauf von weiteren Bodenreform-Ländereien durch die Treuhand geschaffen würde. Da sich die Klärung der Eigentumsfrage vermutlich noch Jahre hinziehen und vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird, ist man auch beim Land daran interessiert, den Rennbetrieb weiterlaufen zu lassen und Möglichkeiten zu Investitionen zu geben.

Dies könnte ein sogenannter Erbbaurechtsvertrag regeln, nach dem der Union-Klub auf längere Zeit Hoppegarten pachten würde und auch die Möglichkeit hätte, Unterpachtverträge mit Gastronomiebetrieben, Hotels und anderen interessierten Investoren abzuschließen. Deshalb traf man sich jüngst beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), um diese Möglichkeit zu erörtern. Und hier beginnt der ganze Streit recht diffus zu werden.

Die Treuhand gibt sich versöhnlich. Sie habe während der Verhandlung eine Erklärung abgegeben, wonach dem Land angeboten wurde, in die Überlegungen über den zukünftigen Werdegang einbezogen zu werden. Allerdings habe sich das Land nicht dazu geäußert und sich eine Bedenkfrist von drei Wochen ausgebeten. Die Eigentumsfrage selbst sei hier überhaupt nicht Gegenstand gewesen. Das Land alllerdings geht davon aus, daß die Treuhand und das Land gemeinsam als Verpächter auftreten. Davon weiß man in der Treuhand allerdings nichts.

Das Rennen, zumindest auf sportlicher Seite, machen seit Saisonbeginn am 4. April derweil die Pferde und ihre Jockeys. An fast jedem Sonntag im Sommer tummeln sich Glücksritter, Pferde- Fans oder auch nur Erholungssuchende auf den geschichtsträchtigen Tribünen – 4.000 Plätze fürs Volk, 500 Plätze für die Gutsituierteren in der Kaiserloge. „Der große Stutenpreis der Dreijährigen“ steht am Pfingstmontag auf dem Plan. Das mit 60.000 Mark dotierte Rennen findet im Rahmen der „Freizeit '93“ Messe statt, auf der die Organisatoren mit über 150.000 Besuchern rechnen. Am 20. Juni wird es zum 125. Jubiläum ein Sommerfest geben. Vielleicht ist man bis dahin schon weiter mit der Rechtsangelegenheit.

Der große Stutenpreis der Dreijährigen; Mo. 14 Uhr; S-Bahn 5 (Hoppegarten) Jörg Welke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen