: DSD: Stoppt das Sortieren!
Kunststoff soll von Branchenriesen chemisch verarbeitet und nicht mehr sortiert werden / Daimler-Benz mit Interesse am Geschäft ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Mit dem vielen Sortieren ist bald Schluß. Das Duale System Deutschland (DSD) möchte den republikweit eingesammelten Kunststoff künftig nicht mehr sortieren, sondern soweit wie möglich unsortiert in die chemische Verwertung geben. Das geht aus einem Brief von DSD- Chef Wolfgang Brück an die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall hervor. Mit den Entsorgungsfirmen werde derzeit darüber verhandelt, „von der Sortierung der Kunststoffe auf deren Konfektionierung (für die chemische Verarbeitung verkleinern, d. Red.) umzustellen“. Wer in Sortierstraßen investiert hat, hat Pech gehabt. Maximal ein Viertel des Kunststoffes soll 1997 noch nach Sorten getrennt und verwertet werden.
Der DSD-Chef stellt den zuständigen Landesbehörden in dem siebenseitigen Schreiben das Kunststoffverwertungskonzept bis zur Jahrtausendwende vor. Allein der Branchenführer RWE Entsorgung soll ab 1995 170.000 Tonnen des Kunststoffabfalls verarbeiten. 50.000 Tonnen davon werden werkstofflich verwertet, 50.000 zu sogenannten Bauzuschlagstoffen verarbeitet und aus 70.000 Tonnen soll Synthesegas entstehen.
Der Brief nennt noch zwei andere Hauptabnehmer. Zum einen werde im Chemiedreieck Halle/ Merseburg/Bitterfeld ein Kunststoffverarbeitungskomplex mit einer Kapazität von 200.000 Jahrestonnen errichtet. Die DSD will sich dort erstmals selbst als Plastikverarbeiter betätigen. Dafür muß das Kapital der Gesellschaft, wie gestern berichtet, von derzeit mageren 3 Millionen Mark auf 500 Millionen Mark aufgestockt werden. Im Chemiedreieck gibt es Absprachen für eine Beteiligung von Daimler-Benz. Daimler selbst wolle am gleichen Standort eine Pyrolyseanlage für Leichtschredderrückstände errichten, schreibt Brück. Dabei geht es wohl um die Plastikrückstände von Altautos.
Zum Großabnehmer avanciert nach Brücks Plänen auch die Firma UTR im westfälischen Gladbeck. Sie soll, beginnend im Jahr 1994, jährlich bis 100.000 Tonnen Kunststoffe zu Bergwerksbindemitteln und anderen Baustoffen verarbeiten. Für alle Gebiete, in denen das RWE und seine Töchter nicht tätig sind, will Brück nach dem Brief UTR zum Monopolisten für die Verarbeitung von Mischkunststoff machen. Das heißt, Entsorger könnten Kunststoff nur noch sortieren, sofern UTR den nicht sortierbaren Rest an Mischkunststoffen abnimmt.
UTR ist im Entsorgungsgeschäft kein ganz unbeschriebenes Blatt. Die Firma, an der die Ruhrkohle mit 25 Prozent beteiligt ist, stellt heute Bergwerksbindemittel unter anderem aus der Asche von Müllverbrennungsanlagen her. Einige tausend Tonnen der Bindemittel sind von niedersächsischen Behörden im Frühjahr als Sondermüll an die Firma zurückgeschickt worden, bevor sie nach Weißrußland geliefert werden konnten.
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