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Der Kampf von Belfa geht dem Ende zu

Der Batteriehersteller Belfa in Treptow wartet auf die definitive Entscheidung der Treuhandanstalt / Seit über zwei Jahren kämpft die Belegschaft um ihren Betrieb / Noch 130 Beschäftigte  ■ Von Severin Weiland

Treptow. Die Betten stehen noch im Nebenraum der Kantine. Ordentlich nebeneinander gereiht, bislang ungenutzt. Symbole eines Hungerstreiks, den einige Mitarbeiter des Batteriewerkes Belfa für Mitte Mai geplant hatten. Doch die Treuhandanstalt kam der spektakulären Aktion der kampferprobten Belegschaft am Bruno-Bürgel- Weg in Treptow zuvor. Am 14. Mai entschied sie, die geplanten Kündigungen für die 130 Beschäftigten bis Ende Juni auszusetzen.

„Eine Atempause haben wir erreicht“, sagt Betriebsratsvorsitzender Peter Hartmann. Nun heißt es für die Belegschaft wieder warten. Bislang ist im Detlev-Rohwedder- Haus in Berlins Mitte noch keine Entscheidung gefallen. „Wir sind in der heißen Phase der Privatisierungsgespräche“, lautet lakonisch der Kommentar einer Treuhandsprecherin. Vier Bewerber sind laut Betriebsrat derzeit im Gespräch, darunter drei Batteriehersteller.

Ganz oben auf der Wunschliste des Betriebsrats steht die Firma Batropa aus München, die derzeit ihre Kleinbatterien namens „batsch“ in der Slowakei produzieren läßt. Sie fallen durch ihr knallbuntes Design und die unterschiedlichen Motive auf — ein Konzept, das dem des schweizerischen Uhrenherstellers „Swatch“ ähnelt. In Südostasien, wo durchsichtige elektronische Geräte ein Renner sind, hätten solche Batterien eine „gute Chance“ und seien sicherlich auch für einheimische Sammler ein beliebtes Objekt, meint Hartmann. Doch ob mit der Übernahme eines der drei Batteriehersteller der Belfa-Belegschaft gedient ist, bleibt zweifelhaft. Hartmann selbst mutmaßt, daß dadurch „nicht alle 130 Beschäftigten übernommen werden können“.

Noch Ende letzten Jahres hatte der Betriebsrat ein tragfähig scheinendes Konzept an Land gezogen. Der Münchener Grundstückskaufmann Erhard Härtl, der bereits das Gelände des Glühlampenherstellers Narva (jetzt Ppriamos) erwarb, wollte das lukrative Gelände am Ufer der Spree kaufen und gab für alle Mitarbeiter eine dreijährige Beschäftigungsgarantie ab. Doch die Übernahme durch Härtl, der weiterhin zu den Bewerbern gerechnet wird, scheiterte bislang an seiner Forderung, die Treuhand sollte für jeden Belfa- Arbeitsplatz 150.000 Mark zahlen.

Wie kein anderes Werk in Berlin hat der Gerätebatteriehersteller aus Ostberlin um sein Überleben gekämpft und mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen die Treuhandmitarbeiter auf Trab gehalten. Viermal konnte die Belegschaft, die einst 500 Mitarbeiter zählte und zwei Massenentlassungen hinter sich hat, einen Stillegungsbeschluß verhindern. Schon 1990 sprach die Treuhand für Belfa ein Investitionsverbot aus. Hartmann vermutet dahinter den Einfluß der westdeutschen Batterieindustrie, die sich unliebsame Konkurrenz in Ostdeutschland fernhalten wollte. Belfa hat es seitdem schwer. Mit dem Kauf der ostdeutschen Warenhäuser durch westliche Konzerne wurden die Belfa- Produkte aus dem Sortiment weitgehend verdrängt. Nur in zwei Kaufketten werden die Batterien aus Treptow derzeit noch angeboten. Der einstige DDR-Hersteller fristet ein Schattendasein. Auf dem Werksgelände herrscht Untergangsstimmung. Die Hallen mit den zum Teil veralteten Maschinen stehen leer, kein Maschinendröhnen erfüllt die Luft. „Friedhofsruhe“ nennt das Hartmann, der 14 Jahre bei Belfa gearbeitet hat und dessen Biographie mit Belfa eng verwoben ist.

Rund 63 Prozent der Beschäftigten sind in Kurzarbeit Null – eine Umschreibung für eine Zeit, die däumchendrehend zumeist zu Hause abgesessen wird. Nur wenn die Nachfrage nach bestimmten Batteriesortimenten steigt oder das Lager sich geleert hat, werden die Beschäftigten für wenige Tage zur Produktion auf das Betriebsgelände gerufen. Finanziell leben die Kurzarbeiter am Rande des Existenzminimums: Männer erhalten pro Monat rund 1.100 Mark netto, Frauen (ein Drittel der Belegschaft) nur 750 Mark.

Der Poker um Belfa ist noch nicht zu Ende, doch eines will der fünfzigjährige Hartmann auf keinen Fall: Daß die Belegschaft in eine Auffanggesellschaft überführt wird, wie es der für die IG Metall arbeitende Jurist Jörg Stein angeboten hatte. Eine solche Arbeits- und Beschäftigungsgesellschaft (ABS) lehnt Hartmann schon aus finanziellen Gesichtspunkten strikt ab: „Was soll ich mit 6.200 Mark Abfindung, die mir nach den Richtlinien der Treuhand für Sozialpläne zustehen, um mich auszugründen und dann in einer ABS weiter zu qualifizieren?“ Damit, so glaubt Hartmann, werde die Arbeitslosigkeit nur „hinausgezögert“.

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