: "Wir haben die jahrelange Ignoranz satt"
■ Bündnis Türkischer Einwanderer fordert doppelte Staatsbürgerschaft / Anwendung der Terrorismus-Paragraphen für die Mörder
fordert doppelte Staatsbürgerschaft / Anwendung der Terrorismus-Paragraphen für die Mörder
„Wie lange noch wollen die politisch Verantwortlichen die dauerhaft hier lebenden Nicht-Deutschen als Menschen zweiter Klasse behandeln“, fragte gestern der Sprecher des Bündnisses Türkischer Einwanderer, Hakki Keskin. Man habe die jahrelange Arroganz und Ignoranz satt. Dabei sei die Sache doch ganz banal. Einwanderer sollten gleiche Rechte haben. Keskin: „Gerade jetzt müßte die Regierung entschieden bekennen: Diese Menschen gehören zu uns.“
Doch das Gegenteil sei der Fall. Nach den Ausschreitungen der letzten Tage werde die Diskussion auf ein Nebengleis gelenkt. So sei es eine Unverschämtheit, daß der Innenminister von NRW den Randalierern von Solingen mit Ausweisung gedroht hat. Keskin: „Das Bündnis lehnt jede Gewalt kategorisch ab.“ Aber bei den Ausschreitungen der letzten Tagen habe es sich stets nur um Gewalt gegen Sachen gehandelt. „Die Neonazis dagegen töten Menschen.“
Das Bündnis Türkischer Einwanderer (TGB), das nach eigener Einschätzung drei Viertel der in Hamburg lebenden Türken repräsentiert, hat gestern fünf Sofortmaßnahmen gefordert. So müßten umgehend alle rechtsextremen Gruppen verboten werden. Außerdem sollen die Mörder und Täter gegen Nicht-Deutsche unter Anwendung von Terrorismus-Paragraphen verurteilt werden. Überfällig sei auch ein Antidiskriminierungsgesetz, wie es dies in anderen Ländern Europas gibt, das rassistische Äußerungen und Handlungen unter Strafe stellt.
Keskin forderte gestern auch einen runden Tisch, an dem Einwanderer, Regierungen und Parteien gemeinsam eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Rassismus entwickeln. Keskin: „Es geht nicht an, daß Politiker über die Betroffenen hinweg entscheiden.“
Zentrales Anliegen des sozialdemokratisch geprägten Verbandes zu dieser Stunde ist jedoch die ernsthafte Aufnahme der Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft. „Wir sind bereit, dieses Land mitzugestalten“, sagte TGB-Mitglied Cengiz Yagli. Man könne doch Menschen, die hier geboren sind, dieses Recht nicht verweigern.
Der TGB hatte bereits im letzten Herbst nach den Rostocker Krawallen seine Vorschläge zur Einwanderungspolitik zu Papier gebracht. Darin hatte Keskin neben einer Quotenregelung für Einwanderer auch die Beschränkung des Asylrechts auf politisch Verfolgte verlangt. Keskin gestern: „Die BRD sollte ein Land sein, wo tatsächlich politisch Verfolgte Asyl finden können.“ Das sei dank Drittstaatenregelung nicht mehr der Fall. kaj
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