: Fünf Pfennige fürs Schuheputzen
■ Eine 6. Klasse aus Dinklage besuchte die Ausstellung „Kinder sind k(l)eine Menschen“ im Übersee-Museum
Der kleine Schuhputzjunge Pedro hat dunkle Locken, trägt Shorts und lebt in einem Land mit Palmen. „Irgendwo in Afrika“, meinen Birgit, Michael und Henrik, denn so ganz genau wissen sie leider nicht, wo Pedros Heimat Ecuador liegt. Auf jeden Fall ist es warm da, und Pedro ein armer Junge, der für einmal Schuheputzen nur umgerechnet fünf Pfennige verdient, „das ist ganz schön wenig“.
Die drei malen zusammen mit ihren MitschülerInnen Pedros Geschichte. Sie gehen alle in eine sechste Klasse im niedersächsischen Dinklage, sind auf Schulausflug und besuchen die Ausstellung „Kinder sind k(l)eine Menschen“ im Bremer Übersee-Museum, die Kinder aus aller Welt von ihrem Alltag, vor allem aber auch von dem Unrecht, das ihnen täglich geschieht, erzählen läßt.
PLAN INTERNATIONAL, eine Patenschaftsorganisation für notleidende Kinder aus Dritte-Welt-Ländern hat Kinderzeichnungen aus Guatemala, Zimbabwe und Indien gesammelt, die von UNICEF mit Informationstafeln und Fotografien ergänzt wurden. Das Übersee- Museum hat die Beiträge von Kindern aus Bremen zugefügt, die ihre Rechte in Wort und Bild artikulieren und einfordern.
Für die SchülerInnen aus Dinklage ist das der spannendste Teil der Ausstellung: ein bunter Teppich zum Fertigknüpfen, ein selbstgebasteltes Weltenhaus, ein Original-Schuhputzkasten aus der Türkei, Spielsachen und Häuser aus Ländern aller Kontinente.
„Das ist voll die miese Geschichte!“ meldet Christian von einem Tisch mit Kopfhörern, wo er eine Tonband-Collage abhört, „da ist ein Junge aus Kurdistan, der hat sein Haus und seine Eltern verloren, der versucht, seine Familie irgendwie zusammenzuhalten.“ Krieg und Vertreibung scheinen den 12- und 13jährigen seltsam nah zu sein; sie alle kennen Kinder, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind und jetzt in Deutschland leben. Auf Pinnwänden haben Bremer Flüchtlingskinder in Geschichten, Gedichten und Collagen ihre Ängste und Hoffnungen thematisiert.
„Achtung — Sie verlassen den europäischen Sektor — wir drehen die Rollen um!“ steht an dem Schlagbaum. Die Kinder kuscheln sich in die orientalische Märchenecke und lauschen der Geschichte von Pedro, die von seinem Leben als Schuhputzjunge in den Straßen von Quito, von seinem Zuhause mit den sechs Geschwistern und der Mutter, von seinem Traum, mal Autos zu reparieren erzählt. Eine Geschichte, die zwar weit weg ist, aber in der Vorstellung der Kinder existiert, die sie in eigenen Bildern nacherzählen und in den großen prächtigen Guck- “Wunderkasten“ packen. Wie der alte Mann in Damaskus in Rafik Schamis gleichnamigem Buch.
Silvia Plahl
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