■ Schülerinnen auf der Trauerfeier
: Da war ich ganz leise

Ich hasse Solingen jetzt richtig. Die Türken, die da wohnen, tun mir leid. Ich würde da nie im Leben wohnen wollen. Aber auch hier in Berlin hat das Auswirkungen. Wenn ich auf der Straße laufe, und ein paar Deutsche gucken mich an, dann bekomme ich ganz schnell Schiß, daß sie mich angreifen wollen. Einmal, vor Solingen, ist mir so was schon passiert. Ein Mädchen mit einem Hund hat mich angesprochen, ob ich eins auf die Fresse will. Ich habe geantwortet: Wie kommste denn darauf? Da hat sie gesagt: Komm her, komm her. Da war ich ganz leise, und sie hat mich in Ruhe gelassen. Meine Mutter läßt mich jetzt nicht mehr so oft raus wie früher, vor Mölln und Solingen. Sie hat Schiß, daß mir dasselbe passiert wie Mete Eksi. In den Hof und ums Karree darf ich, das ist okay, aber weiter nicht. Ich fühle mich ein bißchen eingesperrt, wenn das nicht passiert wäre, hätte ich bestimmt mehr Freiheiten. Ich trage zwar ein Kopftuch, meine Eltern sind sehr religiös, aber zu Hause darf ich eigentlich alles machen. Das Wichtigste ist, daß die Deutschen den Türken in Solingen jetzt helfen. Die Trauerfeier fand ich gut, ich habe aber nur mit einem halben Ohr hingehört. Gül, 15 Jahre, 7. Klasse

Die Reden auf der Trauerfeier sind nicht so wichtig, Hauptsache, es wird etwas getan. Die Leute sollen nicht immer nur reden, sondern dafür sorgen, daß die Menschen etwas mit nach Hause nehmen, daß sie selbst anfangen zu überlegen, was sie tun können. Schärfere Gesetze würden nichts helfen. Mir persönlich fehlt hier in Berlin eigentlich nichts. Ich verstehe mich gut mit den deutschen Bürgern, ich habe viele Freunde. Aber die Türken, die in ihrem Haus in Solingen verbrannt worden sind, haben sich ja vielleicht auch gut mit ihren Nachbarn verstanden. Die doppelte Staatsangehörigkeit nützt uns Ausländern wenig. Denn wir sehen immer noch so aus wie früher. Wenn uns ein Deutscher verprügelt, rettet uns der Ausweis auch nicht. Seit die Mauer weg ist, ist in Deutschland alles viel schlimmer geworden. Nagihan, 14 Jahre, 8. Klasse