: Erst zum Frühschoppen, dann zur Wahlurne
■ Wie Hamburgs Sozialdemokraten ich auf die Basis-Abstimmung über den künftigen Parteivorsitzenden vorbereiten
sich auf die Basis-Abstimmung über den künftigen Parteivorsitzenden vorbereiten
Nö, die KandidatInnen kommen nicht. Kein Gerhard Schröder, keine Heidemarie Wieczorek-Zeul, auch kein Rudolf Scharping läßt sich an der Elbe blicken, um Stimmen einzuwerben. Aber Kuchen wird schon gebacken, die Holzkohlegrills aus den Ortsvereins-Schuppen werden entrostet, das Bier gut gekühlt. Hamburgs Sozialdemokraten bereiten sich vor auf den kommenden Sonntag, den Tag des Ortsvereins, jenen Tag, an dem die SPD-Basis erstmals in ihrer Geschichte per Urabstimmung einen Kandidaten für den Parteivorsitz wählen soll.
Während sich die selbsternannten Kandidaten-Kandidaten derzeit im Ruhrgebiet die Vereinsheims- Klinke in die Hand geben, Heidi- Show, Gerhards Polterabend und Rudolfs Tugendstunde einander abwechseln, fühlen sich Hamburgs Sozis von der innerparteilichen Abstimmungs-Premiere eher überfordert. Kandidatenvorstellung? „Bei uns ist kein Parteidistrikt dazu in der Lage, so eine Veranstaltung zu organisieren,“ erläutert Parteimanager Werner Löwe die hanseatische Zurückhaltung. Hilfen aus der wahlkampferprobten Parteizentrale? Fehlanzeige. Die 84 Hamburger Parteidistrikte müssen den Urnengang ihrer 20 000 Mitglieder selbst organisieren.
Entsprechend begeistert gehen die Funktionäre ans Werk. „Das hat natürlich sehr viel Freude ausgelöst, auch das noch organisieren zu dürfen,“ beschreibt Nord-Kreisgeschäftsführer Stefan Lengefeldt sarkastisch die Stimmung der Basisfunktionäre. Jedes Mitglied wurde schriftlich aufgefordert, seine Stimme abzugeben, per Briefwahl oder eben am kommenden Sonntag von 10 bis 18 Uhr im Kreis- oder Distriktsbüro. Sonderschichten für Parteiarbeiter, die mit Frühschoppen, Brunch oder gemeinsamem Kaffeetrinken versüßt werden sollen.
Mit einer hohen Anteilnahme der umworbenen Basis wird trotz solch kulinarischer Anreize nicht gerechnet. Rüdiger Schulz, Geschäftsführer im traditionsreichen SPD-Kreis Harburg, wäre schon froh, wenn sich 250 seiner 1300 Mitglieder für einen der drei auf dem offiziellen Wahlzettel aufgeführten Kandidaten begeistern könnten. Unterm Strich sieht Schulz in der basisdemokratischen Freiübung „eher eine Belastung“. Schließlich stehen auch noch die Bürgerschaftswahlen mit Distrikts-, Kreis- und Landesparteitagen auf dem Sommerprogramm. Das schlaucht.
Für die Ausnahme in Sachen Wahlbeteiligung wird der Ortsverein Kirchwerder sorgen. Dort will sich der Vorstand am Sonntagmorgen auf die Socken machen und die Mitglieder einzeln zur Abstimmung bitten. Heidi, Gerhard und Rudolf werden's danken. uex
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