■ Nach dem Mord an 22 Blauhelmen in Somalia: Gute und Bösewichte
Nun hat also auch Somalia seinen Bösewicht. General Farah Aidid kann sich, glaubt man den Vereinten Nationen, zusammen mit Kambodschas Roten Khmer, Angolas Jonas Savimbi und anderen Schlächtern in die Galerie der Ehrlosen einreihen, der Friedensstörer und Kriegsverbrecher. Weil seine Kämpfer 22 Blauhelmsoldaten getötet haben, soll jetzt ein Höllensturm auf ihn losgelassen werden, zum Beweis der Autorität der UNO.
Aidid ist kein Engel. In den Monaten nach dem Sturz des somalischen Diktators Siad Barre Anfang 1991 und dem darauffolgenden Auseinanderbrechen des somalischen Staates begingen seine Gefolgsleute bestialische Verbrechen. Damals aber rührte die UNO keinen Finger. Erst jetzt will sie Aidid zur Rechenschaft ziehen – und zwar nicht, weil er seine Gewehre gegen Somalis richtet, sondern weil er fremde Soldaten angreift. „Gerechtigkeit, nicht Rache“, verspricht der UNO-Botschafter Pakistans, dessen Soldaten am Wochenende in Mogadischu zu Tode kamen. Aber in Somalia herrscht keine Gerechtigkeit. Es regiert das Gesetz des Stärkeren, daran kann auch die Präsenz immer mehr fremder Soldaten allein nichts ändern. Die UNO hat dieses Gesetz ohnehin insoweit anerkannt, als sie im März die somalischen Warlords einen „Nationalen Versöhnungsrat“ bilden ließ, der bis zu freien Wahlen regieren soll und der hauptsächlich aus Vertretern von Warlords besteht — davon nahezu die Hälfte Anhänger Aidids.
Wenn jetzt Aidid und sein „Vereinigter Somalischer Kongreß“ zu Feinden des Versöhnungsprozesses erklärt werden, hilft dies der Versöhnung nicht. Der „Vereinigte Somalische Kongreß“ (USC) wurde nicht als Räuberbande geboren, sondern als Widerstandsorganisation gegen die mörderische Diktatur Siad Barres, die nicht weniger Somalis das Leben kostete als die Hungersnot des vergangenen Jahres, jedoch bis zum Schluß westliche Finanzspritzen entgegennahm. Aidid war der Militärführer, unter dessen Leitung USC-Truppen zur Jahreswende 1990 bis 1991 als Befreier in Mogadischu einrückten. Daß er danach die Macht nicht abgeben oder teilen wollte, sondern die Zerschlagung Somalias als Staatswesen vorzog, ändert daran nichts. Und es mangelt ihm nicht an Verschwörungstheorien, wonach die UNO unter ihrem ägyptischen Generalsekretär insgeheim an der Restauration der Barre-Diktatur arbeite. Je heftiger die Militärschläge der UNO gegen ihn, um so mehr werden die Bewohner Mogadischus ihm dies glauben. Der Beweis, daß die UNO das Gesetz des Stärkeren durch zivilere Institutionen ersetzen kann, wird damit jedenfalls nicht erbracht. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen